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Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde

Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde

Titel: Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Gebärde, als wolle sie eine lästige Fliege verscheuchen, hinauszugehen.
    Schilfrohr versuchte zu lächeln, aber es glückte ihm nicht ganz. »Paß auf dich auf, wenn du in die Berge kommst. Ein falscher Schritt und dein Bein sieht aus wie dein Arm.«
    »Ich werde vorsichtig sein, Vater.«
    Schilfrohr überlegte kurz. »Bleib oben auf den Bergen. Dort ist der Matsch nicht so schlimm. Unten in den Trockenrinnen ist das Gehen fast unmöglich. Wenn du einige Tage lang durch den klebrigen, matschigen Schlamm gewatet bist, weißt du erst, was es heißt, müde zu sein. Von den Sandhügeln an wird der Marsch leichter.«
    »Ich nehme an, Linke Hand kennt den Weg.«
    Schilfrohr lächelte wehmütig. »Ich weiß, es war nicht leicht für dich in diesem Lager. Du bist ein guter Mensch, mein Sohn. Nur ein wenig anders als die anderen.« Er trat näher zu ihm heran und setzte leise hinzu: »Ich mache dir nicht den geringsten Vorwurf. Im Gegenteil, ich bin stolz auf dich. Auf Wiedersehen. Und viel Glück.«
    »Sag Großmutter… ach nichts. Vergiß es.«
    »Sie ist außer sich wegen dieser Sache. Aber das sind wir alle«, fuhr ihn Rosenbusch scharf an. Doch mit gesenkter Stimme fügte sie hinzu: »Trotzdem, ich mache dir auch keine Vorwürfe.«
    Kranker Bauch lächelte zum Abschied. Erstaunt bemerkte er, daß ihm die Trennung schwerfiel.
    Tannenzapfen, Phloxsamen und Anmutige Frau hatten sich nicht von ihm verabschiedet. Sie hatten ihn nur voller Mißbilligung angestarrt. Warum? Es ist meine Schuld. Sie wissen nicht, was sie mit mir anfangen sollen. Aber wenn ich unterwegs auf einen Bären stoße oder auf das Wolfsvolk auf dem Kriegspfad, fühlen sie sich schuldig wegen meines Todes. Der Gedanke tröstete ihn nicht.
    Linke Hand zog die Augenbrauen hoch und deutete auffordernd den Weg hinauf.
    Noch einmal sog Kranker Bauch die Luft des Rundfelsen-Lagers tief in seine Lungen. Er blickte sich ein allerletztes Mal um und prägte sich das Bild ein. Dort drüben in Tannenzapfens Hütte wurde er geboren. Hier hatte er als Junge gewohnt, gespielt und gelacht und wäre fast an einem Schlangenbiß gestorben. Im Schatten der Hütten hatte er die Gespräche mit Warmes Feuer genossen. Sein Schweiß und seine Mühen waren in Rosenbuschs Erdhütte eingesickert. Ein Teil seiner Seele würde für immer hier verweilen.
    Ein Mensch verliert einen Teil von sich selbst, wenn er seine Heimat verläßt. Der Abschied ist wie ein kleiner Tod, ein Wendepunkt im Leben eines Menschen.
    »Fertig«, bemerkte er zu Linke Hand.
    Nebeneinander gingen sie den ausgetretenen Pfad zum Coldwater River hinunter.
    Kranker Bauch verlagerte das Gewicht seiner Rückenlast, die Steifheit seiner Gelenke machte ihm zu schaffen. Er ging langsam, bis sich seine Beinmuskeln aufgewärmt hatten. In seinem Rücken spürte er die Blicke seines Vaters und seiner Schwester. Ei drehte sich nicht mehr um. Er war nicht bereit, ihnen ein letztes Mal zuzuwinken. Diese versöhnliche Geste, mit der sie ihr Gewissen hätten beruhigen können, versagte er ihnen.
    Plötzlich entdeckte Kranker Bauch Knolles Silhouette im Morgenlicht. Der Junge stand oben auf der Düne, in der Warmes Feuer begraben wurde.
    »Linke Hand? Warte einen Augenblick.« Kranker Bauch ging auf den Jungen zu. Von ihm mußte er sich verabschieden. Der arme Knolle hatte mindestens soviel gelitten wie er selbst.
    Knolle hörte ihn kommen und hob den Kopf. Bei seinem Anblick floh der Junge plötzlich wie ein verängstigter Eselnase auf die andere Seite der Düne und lief in das Dickicht. Er sprang über die niedrigen Sträucher und rannte, als wären die Geister der ruhelosen Toten hinter ihm her.
    »He! Knolle! Ich bin's, Kranker Bauch!«
    Knolle rannte nur noch schneller.
    Stirnrunzelnd blickte Kranker Bauch hinter dem rasch kleiner werdenden Jungen her. Er senkte den Blick… und sah das Loch, in dem die Überreste von Warmes Feuer lagen. Die Kojoten waren dagewesen und hatten die gefrorenen Sandbrocken aufgegraben. Es war ihnen nicht gelungen, Warmes Feuers Körper ganz herauszuziehen, aber sie hatten verwüstet, was sie erreichen konnten.
    Kranker Bauch schloß die Augen und versuchte, den aufsteigenden Kummer zu unterdrücken. Das war der Lauf der Welt. Kojoten gehorchten ihrer eigenen Natur. Allerdings hätten Schilfrohr und Riedgras das Grab tiefer ausheben können.
    Er wandte sich ab und ging zurück zum Pfad, wo Linke Hand und Plage bereits ungeduldig auf ihn warteten.

KAPITEL 7
    Als Windläufer seine Leute vom

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