Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde
Mondlicht ab.
Salbeigeist? Wanderte er, verloren in seiner Trauer um Leuchtender Mond, ziellos in der Nacht umher?
Vorsichtig kletterte sie den Hang hinauf. Ein plötzliches Rascheln in den Sträuchern ließ ihr den Atem stocken. Angestrengt spähte sie in die Dunkelheit: nichts. Ängstlich zwang sie sich, weiterzugehen. Ihr Herz hämmerte heftig.
Oben auf dem Grat kauerte sie sich nieder, denn sie fürchtete, sich als deutliche Silhouette abzuheben.
Die dunkle Gestalt zweifellos ein Mann ging langsam, die Hände auf dem Rücken verschränkt, im Mondlicht auf und ab. Lautlos huschte sie zwischen den niedrigen Sträuchern hindurch. Endlich war sie nahe genug und konnte den Mann deutlich erkennen.
»Windläufer?«
Er drehte sich um und duckte sich leicht, dann erkannte er sie.
»Was machst du um diese Zeit hier oben?« fragte er ruhig.
»Dasselbe könnte ich dich fragen. Ich suche Salbeigeist.«
Er senkte den Kopf, sein Gesicht lag im Dunkeln. »Ich weiß es nicht. War nur so ein Gefühl. Ich konnte nicht schlafen.«
Sie sah sich um. Im Westen lagen die Red Rock Mountains wie schlafende Ungeheuer im Dunkeln.
Die aufragenden Sandsteinfelsen im Norden schienen aus einer Geisterwelt zu sprießen; ihre zackigen Schatten hoben sich schemenhaft in die bläulich schimmernde Nacht.
»Diese Nacht dient nicht dem Schlaf. Eine Macht ist frei.«
Wie zur Bekräftigung seiner Worte stieß er heftig mit der Fußspitze in den Boden. »Ich habe das Gefühl, es passiert etwas Großes. Als müsse sich unser aller Leben in dieser einen Nacht verändern.
Ich frage mich, ob es noch einmal Morgen wird.«
Sie blickte zu den Sternen hinauf. »Bestimmt. Schon bald sogar.« Sie zögerte. »Warum bist du hier heraufgegangen?«
»Ich muß eine Entscheidung treffen. Ich versuche, mir darüber klarzuwerden, was ich tun soll.«
»Was soll das heißen?« Ihr war, als hätte man ihr mit der Faust in den Magen geschlagen.
»Wahrscheinlich gehe ich morgen fort.«
»Fort?«
»In den Norden. Zum Schwarzspitzen-Stamm.«
Wie betäubt schüttelte sie den Kopf. »Das darfst du nicht! Wir brauchen dich. Du bist einer unserer besten Jäger.«
Er trat näher und faßte sie bei den Schultern. Sie fühlte seinen durchdringenden Blick auf sich gerichtet. »Ich tue es für dich.«
Sie befreite sich von ihm. »Für mich? Das ergibt doch keinen Sinn. Es ist… es ist…«
»Das ergibt sehr wohl einen Sinn. Ich gehe zum Schwarzspitzen-Stamm. Sobald ich mir einen festen Platz unter ihnen gesichert habe, bitte ich dich, mich zu heiraten. Meine Familie wird für tot erklärt.
Meine verwandtschaftlichen Bande existieren dann nicht mehr.«
Für einen Moment fehlten ihr die Worte. Schließlich schrie sie: »Das ist verrückt! Heirate mich jetzt.
Ich liebe dich! Das kann doch nicht dein Ernst sein mit dieser Blutsverwandtschaft. Ich bin genausowenig deine Schwester wie… wie diese Felsen da. Komm, wir laufen zusammen weg… irgendwohin, wo niemand vom Sonnenvolk lebt. Nur du und ich.«
»Das geht nicht«, erwiderte er. »Es sind meine Leute. Wie stellst du dir das vor? Denk an ihre Gefühle, wenn sie erfahren, daß wir in Blutschande zusammenleben.«
»Und wie werden sie sich fühlen, wenn du zu einem anderen Stamm überläufst und sie für tot erklärst? Ist das vielleicht besser?«
»Das werden sie verstehen sie wissen, ich tue es nicht, um sie zu verletzen, sondern aus Respekt vor ihrer Tradition.« In einer Geste der Hilflosigkeit hob er die Hände. »Menschen müssen nach gewissen Regeln leben. Und unser Stamm hat nun einmal seine eigenen Regeln. Wir wissen beide, daß es nicht anders geht.«
»Geh nicht weg.«
Er lächelte. »Was tut ein Mann nicht alles für die Frau, die er liebt? Ist doch nur eine Kleinigkeit. Für dich fordere ich sämtliche Schwarzspitzen-Krieger heraus und hole dich aus den Reihen von zehn mal zehn Kriegern.«
»Du brichst deinen Verwandten das Herz.«
Leise fragte er: »Liebst du mich? Sag es mir. Jetzt, sofort. Sag es mir mit der ganzen Wahrheit deiner Seele.«
Sie schluckte und fühlte sich hin- und hergerissen zwischen ihrer Pflicht dem Stamm gegenüber und ihrer Liebe zu ihm. Lerne dich selbst kennen. Die Stimme hallte wie ein Echo in ihrem Kopf.
»Ja«
»Willst du meine Frau werden?«
»Ja«
Er nickte, das Mondlicht schimmerte auf seinen langen schwarzen Haaren. »Warte auf mich.
Versprich mir, Tapferer Mann nicht zu heiraten. Versprich mir, dich keinem anderen Mann aus dem Weißlehm-Stamm
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