Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde
tot…«
»Weiße Esche!« stieß Windläufer hervor und faßte Salbeigeist bei den Schultern. Sein Herz hämmerte heftig, die Knie gaben unter ihm nach.
Salbeigeist senkte den Kopf. »Ich weiß nicht. Sie war nicht da, als das Wolfsvolk das Lager überfiel.
Ich weiß, sie haben Weiße Esche nicht gefaßt, aber einige der anderen jungen gebärfähigen Frauen haben sie mitgenommen.«
»Aber wo …«
»Ich weiß es nicht.« Salbeigeist fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Ich ging über die Sideways Mountains zum Dreigabelungenlager und beobachtete es. Ich dachte, vielleicht… nun ja, da der Weißlehm-Stamm nicht mehr existierte, konnte sie zum Erdvolk zurückgegangen sein. Ich habe sie dort aber nicht gesehen.«
Windläufer fühlte sich wie von einem Strudel in eine endlos tiefe Leere gerissen. Die Welt schien zu verblassen, Bäume, Himmel und Hügel verloren jegliche Farbe. »Wann?« krächzte er.
»An dem Morgen, nachdem du zum Schwarzspitzen-Stamm aufgebrochen bist.« Salbeigeist hob den Blick zu den sich im Wind wiegenden Ästen. »Ich schlief nicht in jener Nacht ich setzte mich hinter die Felsen. Ich wollte allein sein, an Leuchtender Mond denken und ungestört um sie weinen. Ich sah dich zum Grat hinaufklettern und hörte dich mit Weiße Esche sprechen. Ich sah dich weggehen. Erst bei Tagesanbruch machte ich mich auf den Rückweg zum Lager. Ich hörte die Schreie, aber es war bereits zu spät. Ich konnte nicht mehr eingreifen. Ich verbarg mich hinter den Felsen und sah gerade noch, wie die Krieger des Wolfsvolkes die letzten unserer Zelte niederbrannten. Gleich nachdem sie verschwunden waren, suchte ich sie unter den Toten, konnte sie aber nicht entdecken. Dann folgte ich dem Wolfsvolk. Weiße Esche war nicht unter den Gefangenen. Ich ging zurück zum Lager, um noch einmal nach Weiße Esche zu suchen. Tapferer Mann trieb sich dort herum und sah sich die Leichen an.«
»Er hat sie!«
»Nein.« Salbeigeist schüttelte den Kopf. »Aber auch er hat offenbar nach ihr gesucht. Als Tapferer Mann ging, begann es zu schneien. Einen Tag lang folgte ich Tapferer Manns Spuren, um sicherzugehen, daß er sie nicht entführt hat.« Er atmete tief durch. »Als ich feststellte, daß er, wie angekündigt, zum Stamm der Gebrochenen Steine ging, wanderte ich in den Süden und beobachtete das Erdvolk.«
»Wo mag sie bloß sein?« fragte Windläufer fassungslos.
Salbeigeist ballte die knochigen Fäuste. »Ich weiß es nicht. Ich weiß es einfach nicht.«
Windläufer kämpfte verbissen gegen seine wachsende Verzweiflung.
Salbeigeist wandte sich an Schwarzer Mond. »Was hast du mit mir vor?«
Nachdenklich betrachtete Schwarzer Mond Salbeigeist. Sein Blick wanderte über die zerfetzte Kleidung, die Spuren des Leids in seinem Gesicht. »Du sagtest, dein Stamm sei ausgelöscht.«
Salbeigeist lachte verbittert bei diesem Laut lief es Windläufer eiskalt über den Rücken. »Alles, was ich jemals war… oder geliebt habe, ist tot« er zeigte auf Windläufer »bis auf diesen jungen Mann.«
Heißes Fett stellte sich neben Schwarzer Mond. »Du möchtest Angehöriger des Schwarzspitzen-Stammes werden?«
Langsam schüttelte Salbeigeist den Kopf. »Nein, Seelenflieger. Ich will bis zu meinem Tod ein Weißlehm-Mann bleiben, ich bin der Letzte meines Stammes.«
Verwundertes Gemurmel brandete unter den Zuhörern auf.
»Nein«, rief Windläufer, der sich sofort der Bedeutung dieser Worte bewußt wurde. »Sie bringen dich um, Onkel!«
Salbeigeist legte seine schwieligen Hände auf Windläufers Schultern. Ein wehmütiges Lächeln umspielte seine Lippen. »Dann sollen sie mich töten, Neffe. Ich bin nur gekommen, um dich ein letztes Mal zu sehen. Ich mußte wissen, was aus dir geworden ist. Du bist alles, was mir geblieben ist.«
»Dieser Mann ist mein Onkel«, rief Windläufer. »Er kann mein Zelt mit mir teilen. Ich kümmere mich um ihn.«
Schwarzer Mond begann nachdenklich auf und ab zu schreiten. Mit ratloser Miene blieb er schließlich vor Heißes Fett stehen. »Was sollen wir machen? Ich kann Einziger Mann nicht befehlen, ihn umzubringen, nach allem, was wir heute gehört haben, oder?«
Heißes Fett stellte sich vor Salbeigeist hin, seine scharfen Augen musterten den Weißlehm-Mann von oben bis unten. »Wie viele Sommer sind vergangen, seit wir uns zum letztenmal gesehen haben?«
»Fünf, mein Alter. Es war bei der Großen Versammlung nördlich des Bug River, als Sieben Bullen Wildpflaume geheiratet hat.«
Heißes
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