Vorzeitsaga 03 - Das Volk der Erde
Steine aus seinem Land zu vertreiben. Oder nach Süden über die Sideways Mountains zu ziehen. Von allen diesen Möglichkeiten scheint mir der Weg nach Süden die vernünftigste Lösung. Ich sage das, weil wir schon seit Generationen nach Süden wandern und dieser Weg immer gut für uns war.«
Die die Platz macht setzte sich mit knackenden Gelenken.
Schwarzer Mond wandte sich an Windläufer. »Wie sieht es im Süden aus?«
Windläufer stand auf und blickte sich im Rat um. Die Leute beobachteten ihn voller Neugier und Hochachtung. Seine Heldentaten hatten sich rasch herumgesprochen.
Er straffte sich. »Im Süden der Sideways Mountains liegt das Tal, von dem die Händler uns erzählt haben… dort lebt das Erdvolk.
Mein Rat lautet, in dieses Land zu gehen. Der Bruder meines Vaters raubte eine…« Er lächelte wehmütig, als er seinen Schnitzer bemerkte, und fing noch einmal von vorn an. »Als ich beim Weißlehm-Stamm lebte, raubte ein Mann namens Salbeigeist ein Mädchen aus dem Erdvolk. Sie erzählte mir vom Leben des Erdvolkes. Es hat mehr als genug zu essen, aber seine Lebensweise unterscheidet sich grundlegend von der unseren. Ich schlage vor, wir gehen nach Süden und nehmen dieses Gebiet ein. Dort gibt es Platz für uns.«
Er runzelte die Stirn. »Wir müssen uns entscheiden. Es ist eine schmerzliche Entscheidung. Ich weiß, was sie bedeutet. Zweimal war ich mit dem Weißlehm-Stamm auf der Flucht.« Er blickte seine Zuhörer durchdringend an. »Im Süden müssen wir unsere Lebensweise ändern. Mir wurde erzählt, dort wandere das Wild nicht in großen Herden und die meisten Menschen dort unten äßen aus Pflanzen hergestellte Speisen. Obwohl mir die Vorstellung nicht behagt, unsere Lebensart zu ändern, so ist das immer noch besser, als einen fürchterlichen Krieg gegen den Hohlkehlen-Stamm zu führen. Falls wir die Hohlkehlen vernichten, müßten wir anschließend gegen die vereinten Stämme der Schneeammern und Wespen kämpfen und diese nach Norden zurücktreiben. Wie viele Gesichter aus dem hier versammelten Kreis werden nach diesen Kämpfen fehlen? Als ich den Weißlehm-Stamm verließ, waren gerade noch fünf mal zehn Menschen übriggeblieben. Die Überfälle…«
»Halt! Nie wieder!« donnerte eine Stimme vom Rand des Lagers.
Windläufer reckte den Hals und spähte angestrengt hinüber. Ein einzelner Mann trat hinter den Zelten hervor, gefolgt von einem Rudel neugierig schnüffelnder Hunde. Windläufer erstarrte. Die Stimme und der wiegende Gang dieses Mannes waren ihm wohlvertraut.
»Salbeigeist?« flüsterte Windläufer ungläubig.
Die Leute bildeten eine Gasse und ließen Salbeigeist, der Speere und Atlatl bei sich trug, vorbei. Von allen Seiten erklang staunendes Gemurmel.
Salbeigeist ging auf Windläufer zu. Er blieb vor ihm stehen, Tränen traten in seine Augen, seine Lippen bebten. Windläufer breitete die Arme aus und drückte ihn fest an seine Brust.
»Was machst du hier?« fragte er entgeistert und schob seinen Onkel auf Armeslänge zurück.
Salbeigeists Kleidung bestand nur noch aus zerrissenen Lederfetzen. Er hatte an Gewicht verloren war nur noch ein ausgemergelter, zerlumpter Schatten des Mannes, den er einmal gekannt hatte. Aber in den leidgeprüften Augen funkelte ungebrochener Stolz.
Salbeigeists Gesicht verzerrte sich vor Kummer und Leid. »Ich konnte sonst nirgendwo hingehen«, flüsterte er und kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen. »Der Weißlehm-Stamm ist… ist verschwunden.«
»Verschwunden? Was soll das heißen, verschwunden?«
»Tot«, antwortete er mit tonloser Stimme. »Ausgelöscht vom Wolfsvolk.«
Ein überraschtes, ungläubiges Geflüster brach aus.
Schwarzer Mond stand auf und maß Salbeigeist mit einem argwöhnischen Blick. »Du trägst Waffen.«
Salbeigeist nickte. »Schön, dich wiederzusehen, Schwarzer Mond. Nachdem uns der Schwarzspitzen-Stamm am Fat Beaver River angegriffen hat, hätte ich nie geglaubt, jemals in meinem Leben diese Worte zu sagen. Aber natürlich trage ich meine Waffen bei mir. Ich wußte ja nicht, ob mein Neffe noch am Leben ist.« Er ließ Atlatl und Speere klappernd zu Boden fallen. Salbeigeist schluckte vernehmlich und blickte den Anführer der Schwarzspitzen an. »Wäre er im Zweikampf getötet worden, hätte ich gekämpft. Nicht, um in euren Stamm aufgenommen zu werden sondern um als letzter Überlebender des Weißlehm-Stammes zu sterben.«
Schwarzer Mond holte tief Luft. »Du sagtest, das Weißlehm-Volk sei
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