Vorzeitsaga 04 - Das Volk vom Fluss
vorstellen, dem Petaga so uneingeschränkt vertraut wie Hagelwolke.«
Dachsschwanz verschränkte die Arme. Seine freundschaftlichen Gefühle für Hagelwolke waren im Laufe der Zyklen gewachsen, ebenso sein Respekt und seine Bewunderung. Hagelwolke besaß die außergewöhnliche Begabung, die Kriegspläne eines Feindes vorauszusehen. Vor zehn Zyklen waren sie gemeinsam auf einem Kampfgang im Süden gewesen. Ihre Aufgabe bestand darin, einen vom Feind blockierten Handelsweg zu öffnen. Plötzlich hatte sich Hagelwolke geweigert, seine Krieger auch nur einen Schritt weiter zu fuhren. Als Dachsschwanz nach dem Grund für diesen Entschluß fragte, sagte man ihm lediglich, Hagelwolke habe das Gefühl, etwas stimme nicht. Zornig hatte sich Dachsschwanz schließlich bereit erklärt, Kundschafter auszuschicken. Die Kundschafter wurden in einem schmalen Hohlweg von feindlichen Kriegern überfallen. Drei überlebten den Hinterhalt und schleppten sich ins Lager zurück, um die anderen zu warnen. An jenem Tag hatte Hagelwolkes untrügliches Gefühl Dachsschwanz Hunderte toter Krieger erspart. Wie viele Krieger würde ihn Hagelwolkes Begabung im Laufe der nächsten Woche kosten?
»Wanderer«, fragte Dachsschwanz, »wo sind Petagas Krieger? Weißt du das?«
Wanderer sah ihn durchdringend an. »Weißt du es nicht?«
»Nein.«
»Du bist der Kriegsführer, Dachsschwanz. Wie kommst du darauf, ich könnte etwas wissen, das du nicht weißt?«
»Ich dachte an deine Träume. Du genießt großes Ansehen als Schamane ich dagegen bin nur ein Krieger.«
Wanderer zog die buschigen Augenbrauen zusammen. »Träume sind kein Spezialgebiet der Schamanen, Dachsschwanz.«
Dachsschwanz zog eine Augenbraue hoch. »Wanderer, schon vor Zyklen habe ich mich gefragt, was von deinem sonderbaren Gebaren vorgetäuscht und was echt ist. Weißt du, zu welchem Schluß ich gekommen bin?«
»Nein. Zu welchem?«
»Ich entschied, daß du ein ausgekochter Schwindler bist. Du täuschst noch besser als ein Kojote oder ein Hirsch, die im Kreis laufen und auf ihren alten Spuren zurückgehen, um den Jäger zu verwirren.«
»Dachsschwanz, glaubst du, ich bin unehrlich zu dir?«
»Was soll ich dazu sagen? Ich vermute, du tust alles, um mich in bezug auf den Steinwolf und Hagelwolke in die Irre zu führen.«
»Also …« Wanderer richtete sich entrüstet auf. »Und warum fragst du mich dann über sie aus?«
»Ich hatte gehofft, ich könnte dich zum Häuptling Große Sonne zurückbringen und ihm mitteilen, daß du dich uns gegenüber hilfsbereit gezeigt hast. In diesem Fall würde der Häuptling Große Sonne wohl Nachsicht mit dir walten lassen.«
»Tatsächlich?« Nachdenklich kratzte sich Wanderer an der Wange. »Das wäre eine Überraschung, wenn man bedenkt, daß Nachsicht nicht gerade zu Tharons hervorstechendsten Eigenschaften gehört.
Übrigens, vergiß nicht, Tharon hat mich stets verabscheut. Schon als Junge hat er mich gepiesackt.
Warum sollte er mir jetzt freundlicher gesinnt sein?«
»Wanderer, weißt du -« Dachsschwanz' Kopf fuhr herum. »Was war das?«
Er hatte ein leises Geräusch gehört. Das Knirschen einer Sandale auf dürren Pflanzen hinter den Felsen einer Sandale, die viel zu vorsichtig aufgesetzt worden war, als daß es einer seiner Krieger hätte sein können.
»Dachsschwanz!« schrie Heuschrecke warnend und sprang auf die Füße.
Da brachen Kriegsrufe die Stille; ein Pfeil schlug hinter Dachsschwanz auf den Fels. Er ließ sich zu Boden fallen, rollte sich herum und kam sofort wieder hoch. Seine Faust umklammerte die Kriegskeule.
Plötzlich erwachten die Felsen ringsum zum Leben. Männer und Frauen rannten durcheinander und sammelten ihre Bogen auf. Von allen Seiten sah Dachsschwanz feindliche Krieger heransprinten. Sie schössen in vollem Lauf. Wie viele waren es? Fünfzig? Sechzig? Nein … mehr. Und Dachsschwanz hatte kaum fünfundvierzig Krieger.
»Südwind! Nimm zehn Leute, klettere auf die Felsen und schütze die Südseite des Lagers. Flöte, du übernimmst den Norden. Ich «
Aus den Augenwinkeln sah er Heuschrecke herumwirbeln und in die Hocke gehen. Gleichzeitig riß sie den Bogen hoch, zielte über Dachsschwanz und schoß den Pfeil ab. Schreiend stürzte ein Mann vom Fels und schlug blutüberströmt genau vor Dachsschwanz auf.
Dachsschwanz schob die Leiche beiseite und kroch zu seinem Bogen und Köcher, die noch an der Stelle lagen, wo er vor kurzem sein Stilett geschärft hatte. Pfeile prasselten um ihn herum
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