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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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glücklich.«
    Turmfalke lehnte Wolkenmädchens Tragebrett gegen den Felsen, öffnete ihr Bündel und nahm einen Quarzbrocken, den sie im Flußbett gefunden hatte, einen Hämmerstein aus schwarz-weißem Gneis, ein flaches Stück Sandstein und zwei gelbe Blüten einer frühblühenden Schlüsselblume heraus.
    Ein Schwarm Kraniche flog rufend über das Steilufer hinweg zum Fluß. Vor dem azurblauen Himmel sahen die Vögel wie taumelnde Schneeflocken aus. Turmfalke beobachtete, wie sie im Schilf am Rande des Flusses, das beim Sinken des Wasserspiegels wieder zum Vorschein gekommen war, flatternd landeten. Sie stand auf, zupfte vorsichtig die Blütenblätter von den Blumen und legte sie auf die Augen der Kuh und des Kalbs. Es wäre grausam gewesen, sie beim Zerlegen des jeweils anderen Tieres zusehen zu lassen. Nun würden sie nur ein strahlendes Gelb sehen, als wäre Vater Sonne selbst vom Himmel gestiegen, um ihre Seelen zum Land der Toten zu geleiten.
    Turmfalke nahm ihren Hämmerstein und legte den Quarzbrocken so hin, daß sie mit ihren Schlägen flache Steinsplitter herausbrechen konnte. Vom Stein kam ein hohl klingendes Krachen, als sie mit kräftigen Schlägen mehrere große, flache, graue Quarzsplitter abschlug. Als sie zehn solcher Quarzsplitter angefertigt hatte, machte sie sich an die mühsame Arbeit des Abhäutens.
    Sie mußte das Tier als »Schlauch« häuten, sonst konnte sie die Haut nicht aufblasen, um darauf im Fluß zu treiben. Das hieß, daß sie alle langen Schnitte aufs äußerste begrenzen mußte, denn jeden Schnitt mußte sie wieder zunähen, und jeder Einstich ihrer Knochennadel würde eine weitere Öffnung sein, durch die vielleicht Wasser eindringen konnte. Die aufgeblasene Haut mußte vollkommen dicht sein, andernfalls würden sie beide ertrinken.
    Turmfalke ließ den Daumen über das Vorderbein der Kuh gleiten, um die Kerbe genau unterhalb des Knies zu finden. Dann beugte sie das Knie und sägte mit ihrem Quarzsplitter, bis sie die Bänder durchtrennt hatte. Eine klare, dickliche Flüssigkeit trat aus dem Gelenk. Turmfalke streckte das Bein wieder, brach das Gelenk auseinander und drehte den Unterschenkel so lange, bis sie ihn abreißen konnte. Sanft legte sie den Unterschenkel mit dem Huf nach Westen, zum Land der Toten, nieder. Die beiden Tapire würden diese Nacht auf den Flügeln der Donnerwesen dorthin reisen. Bestimmt wartete ihr Geist schon voll Sehnsucht darauf. Turmfalke nahm den längsten und schmälsten der Quarzsplitter und machte einen Schnitt rings um das Knie, dann begann sie, die Haut von den Muskeln zu trennen. Immer weiter rollte sie die Haut hoch, bis sie an der Schulter des Tapirs schließlich den Oberschenkel abtrennte.
    Dann nahm sie sich das nächste Bein vor. Als sie mit allen vier Beinen fertig war, nahm Turmfalke einen neuen Quarzsplitter und schnitt damit an der Stelle direkt hinter den Ohren, wo das Rückgrat mit dem Schädel verbunden ist, durch die dicke Nackenhaut des Tapirs. Sie brauchte eine ganze Weile, um die dicken Bänder und Sehnen zu durchschneiden und den Kopf abzutrennen. Blut, Rückenmarksflüssigkeit und borstige Haare klebten an ihren Fingern. Sie nahm einen weiteren langen, schmalen Quarzsplitter und zog vom Anus aus über die Rückseite eines jeden Hinterbeins einen Schnitt nach unten. Sie wischte sich den Schweiß vom Gesicht und begann mit viel Fingerspitzengefühl das Hinterviertel zu häuten. Die Haut rollte sie immer wieder zurück, bis sie sie über die Hüften des Tieres ziehen konnte.
    »Jetzt geht es schneller, Mutter«, sagte sie ehrerbietig und streichelte die warmen, noch zuckenden Muskeln. In der Sonne glänzte das Fleisch leuchtend rot, dazwischen verliefen weiße Linien von Bindegewebe und Fett. »Ich muß vorsichtig sein, damit ich keine Löcher in deine dünne Bauchhaut schneide, Mutter. Aber der Rest ist einfach.«
    Turmfalke setzte sich rittlings auf den Tapir und beugte sich vor. Mit der einen Hand zog sie die Haut zurück und hielt mit der anderen den Quarzsplitter. Sie schnitt schnell und sauber, obwohl ihre Finger von dem ständigen Zerren an der dicken, steifen Haut verkrampft waren. Das Gewicht des schlaff daliegenden Tieres erschwerte die Arbeit, so daß sie zu keuchen begann, doch schließlich zog sie der Tapirkuh das letzte Stückchen Haut über den Hals, und das Tier lag nackt vor ihr.
    Wolkenmädchen begann leise zu weinen. Turmfalke lächelte sie müde an. »Ich bin hier neben dir, Wolkenmädchen. Es geht dir gut. Wir

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