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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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sind sicher … im Moment.«
    Sie nahm den Tragesack hoch und legte sich das Band über den Nacken. Dabei kippte sie den Sack so, daß ihre Tochter auf dem Rücken lag. Turmfalke öffnete ihr Kleid vorn und zog eine Brust heraus.
    Wolkenmädchen trank gierig.
    Als sie so dastand, Wolkenmädchen hielt und auf die Tapire hinabblickte, war Turmfalkes Erleichterung so groß, daß eine Welle der Schwäche sie überkam. Doch gleich darauf wußte sie wieder, daß sie sich beeilen mußte.
    Sie kniete bei den Vorderbeinen des Tapirs nieder, nahm einen frischen Quarzsplitter, und während Wolkenmädchen trank, schnitt sie die Sehnen heraus. Sie legte die glänzenden, weißen Stränge neben die Kuh und schnitt dann das Wadenbein heraus, den schmalen Beinknochen. Sie brauchte einige Zeit, um die Spitze des Wadenbeins durch Hin- und Herreiben an einem Stück Sandstein zu schärfen, doch dann hatte das Wadenbein eine scharfe Spitze.
    Turmfalke wendete die Haut der Kuh und legte sie sich über den Schoß. Das Wadenbein würde, wenn Not am Mann war, auch ein brauchbares Stilett abgeben, doch im Moment benötigte sie es, um um jede Öffnung in dem Fell eine ordentliche Reihe von Löchern zu bohren. Mit der noch feuchten Sehne nähte sie den Anus und das Fell der Hinterbeine zusammen. Zur Verstärkung legte sie die Haut an den Nähten doppelt. So hielten die Nähte dichter und würden sich nicht dehnen. Danach wandte sie sich dem Hals und einem der Vorderbeine zu. Sie nähte sie zusammen und verknotete die Fadenenden gründlich, damit die Nähte nicht wieder aufgingen. Sie würden halten, da war sie sich sicher. Zum Schluß schnitt sie Fett vom Rücken des Tieres und rieb die Nähte mit einer dicken Schicht davon ein, um die Einstichstellen abzudichten. Ein Glücksgefühl durchflutete sie. Ein Ton kam von ihren Lippen, halb Lachen, halb Seufzen. Ein verzweifelter Ton.
    Wolkenmädchen war in ihrem Sack aus Kaninchenfell fest eingeschlafen. Turmfalke schob die Brust wieder unter ihr Kleid und setzte sich in den Schutz der Klippe. Wie der Kokon einer Schmetterlingspuppe wölbte sich der gelbbraune Stein neben und über ihr vor. Er schützte sie vor dem Angriff des Sturms, der gegen den Steilfelsen anbrauste. Bald aber verflog ihr Glücksgefühl. Der schlammige Fluß unten toste noch immer wild, obwohl das Wasser gesunken war. Zwei ineinander verhakte Wacholderbäume tanzten wirbelnd in der Mitte des Flusses. Ihr ausladendes Wurzelwerk war dreimal so breit wie Turmfalkes Schultern.
    Wie sollten sie und ihre Tochter, an eine dünne Tapirhaut geklammert, es jemals über das Wasser schaffen? Das Treibholz würde sie ohne Zweifel zermalmen oder unter Wasser drücken.
    Sie preßte Wolkenmädchen eng an sich und kauerte sich an den Felsen. Der winterlich kalte Wind begann wie mit Nadelstichen in ihr Fleisch zu stechen. Vorläufig war nicht daran zu denken, den Fluß zu überqueren. Vielleicht noch nicht einmal am nächsten Tag. Nicht bevor das Wetter wärmer wurde.
    Kein Neugeborenes konnte die bittere Kälte des Wassers überstehen.
    »Es wird wärmer werden. Bitte, Alter-Mann-Oben, .mach, daß es wärmer wird. Es muß.«
    Turmfalke schloß für einen Moment die Augen und versuchte, Haß oder Ärger in sich zu sammeln, um daraus Kraft zu schöpfen. Aber die Erschöpfung lastete schwer auf ihr. Sie mußte noch das Kalb häuten, damit sie Wolkenmädchen und sich selbst in der Nacht mit dem Fell zudecken konnte. Sie mußte auch noch das Fleisch in Streifen schneiden und trocknen, zumindest so viel, daß es für eine Reihe von Tagen reichte. Dabei war sie so müde. Ihre Muskeln schmerzten bis auf die Knochen.
    Verzweiflung kroch auf eisigen Füßen in ihr Inneres.
    Wo ist Stechapfel? Wo ist er? Warum hat er meine Spur noch nicht bis zum Fluß verfolgt?
    Jeden Morgen hatte sie erwartet, ihn über den Steilfelsen oder unten, am Ufer entlang, herankommen zu sehen. Sicherlich hatte er das Dorf direkt nach ihrer Flucht verlassen. Oder hatte er etwa das Ende des Sturms abgewartet, bevor er ihre Spur aufgenommen hatte? War er so überzeugt gewesen, sie zu finden?
    Ja. Natürlich. Weil er mich finden wird.
    Vor ihren geschlossenen Augen erstand das Bild seines hämisch verzogenen Gesichts. Während sie es betrachtete, zogen verschiedene Situationen ihres gemeinsamen Lebens an ihr vorbei.
    Ein Bild verweilte. Jahre waren seitdem vergangen. Stechapfel hatte noch Schwarz in den Haaren, und die Falten hatten sich noch nicht so tief in seine Stirn eingegraben.

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