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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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seiner Hütte schlüpfte. Er lächelte, ging auf eine Frau zu, die auf dem Dorfplatz stand, und strich ihr zärtlich übers Haar.
    Warum konnte ich nicht hier zur Welt kommen, Alter-Mann-Oben? Ware ich hier geboren, hätte ich einen Mann, der mich und Wolkenmädchen liebte. Ich würde vor dem Feuer knien und Fisch grillen oder Rohrkolben wurzeln rösten und mit halbem Ohr den anderen Frauen bei ihrem Getuschel darüber zuhören, wer wohl wen heiraten wird.
    Ich würde meinem Mann zulächeln, wenn er sich mit untergeschlagenen Beinen neben mich setzte, um seine Speerspitze fertigzustellen. Wir würden uns liebevoll unterhalten. Er würde sich die Spitze noch einmal genau anschauen, ob sie auch kunstgerecht zugehauen wäre. Dann würde er sie beiseite legen und zärtlich meine Hand drücken.
    Turmfalke blickte auf ihr Spiegelbild im Wasser. Die dunkelblauen Quetschungen waren inzwischen zu Gelb und Purpurrot verblaßt. Zärtlichkeit… Gab es so etwas jetzt wirklich irgendwo und für irgendwen? Erschien das Leben mancher Leute nur deswegen schön, weil sie all die Gewalt und den Schmerz hinter den Wänden ihrer Hütten verborgen hielten?
    Genau so, wie sie selbst es während fünf langer Jahresumläufe getan hatte?
    »Irgendwo muß es Zärtlichkeit geben«, flüsterte sie verzweifelt. »Bitte, Alter-Mann-Oben, laß sie für irgend jemanden Wirklichkeit sein. Ich ertrage es nicht, daß all das mit Eiskraut gestorben sein soll.«
    Wieder hatte sie einen Krampf im rechten Bein. Sie stöhnte leise.
    Ah, dort war der Lagerplatz, den sie brauchte. Mit äußerster Vorsicht arbeitete sie sich auf einen Felsüberhang zu, der über einen vom Dickicht des Sumpflandes fast verdeckten Sandsteinfelsen hervorragte. Das Röhricht und der Morast blieben zurück, und eine samtige Decke aus Moos auf dem leicht ansteigenden Grund um den Hügel dämpfte ihre Schritte, als sie sich bückte, um in die Schutzhöhle zu schlüpfen.
    Ihre Augen hatten sie getrogen. Die Höhle war kleiner, als es aus der Ferne erschienen war, kaum eine Körperlänge breit und eine halbe Körperlänge tief. Doch für eine Nacht würde es reichen. Auch andere Menschen hatten hier schon Zuflucht gefunden. Fetzen gewobener Grasmatten lagen herum, und jemand hatte hier ein Steinwerkzeug bearbeitet und einen Stapel brauner Feuersteinabschläge zurückgelassen. In der Mitte lag eine mit Holzkohle gefüllte Feuergrube. Als Turmfalke sich daneben fallen ließ, stob eine Aschenwolke auf. Die Erschütterung weckte Wolkenmädchen. Sie jammerte leise.
    »Alles in Ordnung, Baby. Wir sind in Sicherheit«, beruhigte Turmfalke das Kind. Sie band den Sack auf und streifte ihn über den Kopf, dann legte sie ihn vorsichtig in ihren Schoß. Das Baby gähnte. Es hatte die eine winzige Hand in das Kaninchenfell geklammert und die andere in den Mund gesteckt.
    Wieder stieß es einen Jammerton aus.
    »Hast du Hunger, Wolkenmädchen? Ich auch. Es war ein langer Tag, nicht wahr?«
    Turmfalke reckte sich. Es war eine Erleichterung gewesen, als sie das Gewicht von ihren Schultern nahm, doch das Kreuz tat ihr noch immer weh. Sie lockerte sich und seufzte: »Es dauert jetzt nicht mehr lange, Wolkenmädchen. Noch sieben oder acht Tage, dann müßten wir die Küste erreicht haben.
    Dann müssen wir nur noch am Rande des Wassers entlanggehen, bis wir das Otter-Klan-Dorf finden.
    Sie werden uns ausruhen lassen. Sie werden uns helfen. Du wirst schon sehen. Eiskraut hat es mir gesagt.«
    Sie drehte Wolkenmädchens Sack zur Seite, um an das kleine Bündel mit Werkzeugen und getrocknetem Fleisch heranzukommen, das sie hinter der Kapuze festgebunden hatte. Sie konnte es sich nicht erlauben, ein Feuer zu machen. Wenn die Leute aus dem Dorf das Licht sahen, würden sie nachsehen, wer da war, und niemand durfte wissen, daß sie hier vorbeigekommen war. Die letzten Streifen getrocknetes Tapirfleisch mußten als Abendessen ausreichen. Turmfalke nahm das Fleisch heraus und kaute es langsam und jeden Bissen genießend. Seit Tagesanbruch hatte sie nichts gegessen, und das süße, rauchige Fleisch schmeckte besonders lecker. Ihr Magen knurrte. Wolkenmädchens blaue Augen waren schon dunkler geworden. Bis zum nächsten Mond würden sie dunkelbraun sein wie das Winterfell von Bruder Bison. Sie blinzelte Turmfalke an und begann jetzt jämmerlich zu weinen.
    »Oh, entschuldige Baby … Hier.«
    Turmfalke zog die Knie an und legte den Kaninchenfellsack darauf, dann öffnete sie ihr Kleid und zog die linke Brust

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