Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
Vom Netzwerk:
finden. Ich muß nur meinen Sohn wieder zum Leben erwecken. Das ist alles. Dann wird er ihren Weg sehen können.«
    »Deinen Sohn wieder … Wovon redest du?« Eine Faust schien sich in Tannins Brust zu bohren und sein Herz zu zermalmen.
    »Weit im Norden«, sagte Stechapfel, und als er sich umdrehte, ließen die rauchigen Schatten die purpurfarbenen Flecken unter seinen wachsamen Augen deutlicher hervortreten. Sein Mund öffnete sich, als wollte er gerade ein ehrwürdiges Geheimnis preisgeben, dessen Macht den, der davon zu sprechen wagte, sofort tödlich treffen konnte. Mit gedämpfter Stimme fuhr er fort: »Das Volk der Masken, das bei den Eisgeistern lebt, glaubt, daß die Seelen toter Kinder lange Zeit im Körper bleiben.
    Und wer schnell genug ist und die richtigen Rituale vollführt, kann die Seele im Körper festbinden.«
    Entsetzt sah Tannin zu, wie Stechapfel die Rippen des kleinen Jungen auseinanderbog. Der Geruch von Fäulnis durchdrang die Schutzhöhle. Er würgte und drehte den Kopf zur Seite. Nur mühsam konnte er die Übelkeit in seiner Kehle zurückhalten. Was würde Stechapfel sagen, wenn er sich erbrach?
    Stechapfel schaute auf. »Wir müssen seinen Körper sieben Tage lang so zum Räuchern aufrichten, bis er völlig ausgetrocknet ist.« Seine Lippen kräuselten sich zu einem ungerührten Lächeln. »Das Volk der Masken glaubt, daß tote Babys das Sprechen lernen können. Und haben sie es einmal gelernt, können sie dir viele merkwürdige und wunderbare Dinge verraten. Das Volk der Masken trägt tote Babys vor sich her in den Kampf, und sie sagen, daß der Mann, der das Kind trägt, noch nie von einem Speer getroffen worden ist.«
    Tannin konnte nicht sprechen. Mit vor Entsetzen weit geöffnetem Mund merkte er, wie ein Gefühl der Unreinheit und der Verworfenheit in seine Seele drang. Die Luft schien geschwängert von einer Atmosphäre des spirituellen Frevels. Ich werde nie wieder sauber sein!
    In entsetztem Schweigen sah er zu, wie Stechapfel das Waldhuhn hochnahm, den Spieß herauszog und den Vogel zum Auskühlen auf einen der um das Feuer gelegten Steine gleiten ließ. Dann warf Stechapfel einen prüfenden Blick auf den Spieß und stieß ihn mitten durch das tote Baby.
    »Siehst du«, sagte Stechapfel. »Jede Nacht werde ich meinen Sohn in einiger Entfernung vom Feuer aufrichten, so daß er langsam austrocknen kann. Dann, in sieben Tagen, werde ich ihn zunähen und ankleiden.«
    »Warum?« fragte Tannin mit einem erstickten Flüstern.
    Stechapfel neigte den Kopf, und seine Augen glühten unheimlich im Feuerschein. »Damit mein Sohn immer bei mir sein kann.«
    O Mann, es geschieht. Sieh. Sieh doch selbst! Nun kann ich niemals wiedergeboren werden, nie ein Träumer werden. Werde niemals die Gelegenheit haben, die Welt zu retten. Nicht, solange Stechapfel versucht, die Hälfte meiner Seele an diesen halbverwesten Körper zu binden. Ich hasse diesen alten Narren!
    Der Mann sagte: »Junge, weißt du, warum es den Körper gibt?«
    ,Nein, natürlich nicht. Du hast mich nicht lange genug leben lassen, um irgend etwas über die Welt der Menschen herauszufinden.«
    Der Mann seufzte. » Wenn du wirklich wiedergeboren werden willst, dann wünsche deine beiden Seelen in diesen halbverwesten Körper hinein.«
    Der Junge holt tief Luft. »Warum? Wozu?«
    »Weil das Leben in diesem Körper dich alles lehren wird, was man über die Wut lernen kann. Jeden Tag werden dich vom Morgen bis zum Abend Hunde beschnüffeln, die dich auffressen wollen; Insekten, die sich in deinem ledrigen Körper einnisten wollen, werden dich umschwirren, und auf deinem ganzen Körper werden Fliegen herumkrabbeln und ihre Eier in dich legen.«
    Der Junge blinzelte. »Ich kann verstehen, warum mich so etwas wütend machen würde. Aber warum ist das gut? Ist Wut gut?«
    Ein prächtiges blauviolettes Feuer begann um jeden einzelnen Angehörigen des Sternenvolkes aufzuleuchten, so weit der Junge sehen konnte. Um jeden bildete das Feuer einen Kreis wie ein schützendes Gefäß aus Licht. Es flackerte und flammte auf. Nur der Junge hatte kein solches wunderschönes Gefäß. Er blickte finster.
    Der Mann erklärte sanft: ,Nein, Junge. Aber der Wert eines Träumers erweist sich darin, daß er unerträgliche Ärgernisse erträgt.«

13. KAPITEL
    Geschützt von hohem Schilf watete Turmfalke am seichten Rande des Sumpfes durch den kühlen, schwarzen Morast, der ihr alle Kraft nahm und ihre Beine mit Krämpfen peinigte. Auf diese Weise hinterließ

Weitere Kostenlose Bücher