Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
Vom Netzwerk:
mit mir sprechen? Junge! Junge…!«

28. KAPITEL
    »Aber wo können sie nur hingegangen sein?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Sonnenjäger. Sie wanderten durch die zerfallenen Überreste des Otter-Klan-Dorfes. Helfer folgte seinem Herrn schwerfällig. Er zog ein mit ihren Felldecken und sonstigen Dingen beladenes Schleppgestell hinter sich her.
    Die Walfischrippen, die die Zeltrahmen gebildet hatten, bedeckten den Boden in einem wilden Durcheinander. Manche waren zu weiß schimmernden Splittern zertrampelt. Sonnenjäger kniete sich nieder und hob Werkzeug auf, Teile von Kleidungsstücken und eine wunderschöne Haarnadel aus Perlmutt. Jeden einzelnen Gegenstand berührte er sanft, bevor er ihn wieder zu Boden legte. Seine tiefliegenden Augen hatten einen gequälten Ausdruck. »Melisse muß gewußt haben, daß die Macht von hier verschwunden ist.«
    »Verschwunden?« wiederholte Turmfalke.
    »Ja, oder vertrieben worden ist, je nachdem, wie du es ansiehst.« Er hockte sich neben eine alte Feuerstelle und untersuchte die Asche, ob noch Wärme darin war.
    Turmfalke starrte wieder auf die vielen ausgeweideten und abgenagten Mammutskelette, die den Strand bedeckten. Als sie das erste tote Mammut gesehen hatten, war Sonnenjäger auf das verlassene Dorf zugerannt. Turmfalke war schweigend an den Skeletten vorbeigegangen, doch jetzt zogen sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf sich. Sie verschränkte die Arme und drückte nervös die Finger in die Haut.
    Der Geruch des Todes durchdrang alles wie ein verpesteter Wind. Oh, Turmfalke, hassen die Geister dich so sehr? Können sie so etwas wirklich getan haben, damit du keine Zufluchtsstätte findest?
    »Willst du damit sagen, daß die Mammuts, die das Dorf angriffen, die Macht vertrieben haben?«
    »Ja«, antwortete er.
    »Zu welchem Zweck?«
    »Sie wußten, daß es den Otter-Klan zum Aufbruch zwingen würde.«
    Turmfalkes Miene blieb ausdruckslos. Sie wollte Sonnenjäger nicht noch mehr beunruhigen, als er es ohnehin schon war, aber ihre Knie zitterten. Das leere Dorf lag in geisterhafter Stille da. In den Ästen der Tannen waren die Toten bestattet, auch kleine Kinder und Babys. Buntbemalte Häute bedeckten die Körper, aber hier und da hatte der Wind die Häute weggerissen und ein winziges aufgequollenes Gesicht enthüllt. In glitzernden Wolken schwirrten Fliegen über den Totenbahren.
    »Warum sollte Mammut-Oben den Otter-Klan zwingen wollen, diesen Ort zu verlassen?«
    Sonnenjäger stand auf. Das Licht der Nachmittagssonne glänzte in seinem weißen Haar. Er sprach leise wie zu sich selbst: »Um mich zum Kreuzweg zu zwingen … Ja, Gute Feder, jetzt verstehe ich es.
    Was für ein Narr ich bin. Ich habe eine andere Art von Bedrohung erwartet, eine, die den Grund der menschlichen Seele berührt. Von hier aus also muß ich lernen, meinen Weg zu ertasten. Aber warum jetzt? Wo ist das Felsadlermonster?«
    »Was bedeutet das?«
    Er schüttelte den Kopf, und Turmfalke wußte, daß er es ihr nicht erklären würde. Sie konnte es nicht länger ertragen, drehte sich um und lief zum Strand. Wolkenmädchen verklammerte sich in Turmfalkes Haar. Seit ihrer Ankunft war das Baby ruhig gewesen, hatte zufrieden in seinem Kaninchenfellsack gehangen und sich umgeschaut. Turmfalke griff sich über die Schulter, um die winzige Hand zu streicheln. »Es ist alles gut, Baby. Alles wird gut. Das Volk deines Vaters kann nicht fern sein.«
    Zehn Monde lang war dieser Ort ihr wie ein Wunderland in ihren Träumen erschienen. Sie fragte sich, was Eiskraut sagen würde, wenn er hier neben ihr stehen und die Verwüstung sehen könnte. Hätte er gegen Alter-Mann-Oben gewütet? Oder wäre er einfach so wie sie ruhig weggegangen, während seine Seele von Verzweiflung verzehrt wurde?
    Turmfalke hörte, wie Sonnenjägers Schritte sich ihr näherten. Kaum verhüllte Angst drückte seine Miene aus. Die rechte Hand hatte er zur Faust geballt. »Es tut mir leid, Turmfalke.«
    »Es ist nicht deine Schuld.«
    »Nein?«
    Sie schaute zu ihm hoch. Er ließ die Blicke über das Meer schweifen und befaßte sich mit jedem auf den Wellen reitenden Vogel und jedem Stück Treibholz, als suchte er dort eine Antwort auf die Katastrophe.
    Leiser wiederholte er: »Nicht meine Schuld, Turmfalke? Ich bin mir da bei weitem nicht so sicher wie du.«
    »Wie könnte es deine Schuld sein?«
    Sonnenjäger seufzte müde.
    Blasses Licht schimmerte in den Muschelschalen an den Fransen seiner Elchlederjacke. Er sah Turmfalke an und machte

Weitere Kostenlose Bücher