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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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weiß sie. Und ich denke nicht, daß sie das möchte.«
    Der Mond hatte sich über die dunklen Gipfel des Mammutgebirges erhoben. Turmfalke schaute auf die transparenten Ringe, die einen Hof um die blasse Scheibe bildeten. Nahebei schimmerten Wolken in einem irisierenden, frostigen Licht. »Du bist so gut zu uns gewesen, Sonnenjäger. Ich würde alles tun, um dir zu helfen. Aber ich … ich weiß nicht, wie ich dir beim Träumen helfen kann. Und Wolkenmädchen ist erst ein Baby. Was könnte sie tun?«
    »Bitte, versuch darüber nachzudenken, Turmfalke. Vielleicht irre ich mich mit Wolkenmädchen.
    Vielleicht gibt es etwas, irgendein Wissen oder eine Handfertigkeit, die dich mit der Macht verbinden.
    Es könnte etwas Einfaches sein wie Netze knüpfen oder …«
    Sie beugte sich zu ihm vor und umfaßte drängend sein Handgelenk. »Ich male. Es gibt nur eine Gelegenheit, bei der ich die Macht in mir fühle, und zwar, wenn ich male oder färbe. Das muß es sein.«
    Seine Augen waren auf die schmalen Finger gerichtet, die so kühl und tröstlich auf seinem Handgelenk lagen. Am nächsten Tag wollte er versuchen, wieder zu träumen. Er mußte träumen, oder seine Seele würde zu Staub vertrocknen und vom nächsten Windstoß weggeblasen werden. Es war wichtig, daß er träumte, wichtig für Mammut-Oben und wichtig für ihn selbst. Er spürte, daß Mammut-Oben in seiner Nähe war, ihn beobachtete, unterstützte und versuchte, ihm zu helfen, obwohl ihre Hoffnungen von Verzweiflung überdeckt waren.
    Sonnenjäger wischte seine feuchten Handflächen an der Hose ab, bevor er Turmfalkes Hand ergriff.
    »Wirst du für mich malen, Turmfalke? Ich glaube, es ist sehr wichtig für mich, daß du das tust.«
    »Es würde mir großes Vergnügen bereiten, aber …« Sanft drückte sie seine Hand und furchte die Stirn.
    »Sonnenjäger, bitte sag mir, was du über Wolkenmädchen denkst. Vor ein paar Tagen hast du gemeint, du wüßtest wahrscheinlich, warum wir zusammengeführt worden sind. Damals habe ich dich nicht um eine Erklärung gebeten, ich hatte zu große Angst. Was hast du gemeint?«
    Er fuhr mit den Fingern über die weiche, gebräunte Haut ihrer Hand. »Kennen deine Leute auf der Seenplatte das Volk-Das-Licht-Stiehlt?«
    »Nein. Was für ein Volk ist das?«
    »Sie sind besondere Boten von Alter-Mann-Oben. Sie leben auf dem Dach der Welt, auf den höchsten Berggipfeln. Die Macht von Alter-Mann-Oben betritt unsere Welt durch die Hände des Volk-Das-Licht-Stiehlt. Wir das heißt, mein, der Licht-Stiehlt-Klan haben Figürchen vom Volk-Das-Licht-Stiehlt in unseren Zelten aufgestellt. Sie dienen als Pforte für die Macht des richtigen Volkes. Auf diese Weise kann das Volk-Das-Licht-Stiehlt mit uns sprechen, uns Anweisungen geben und uns helfen, wenn wir krank sind oder Probleme haben. Aber manchmal«, sagte er und streichelte zärtlich ihren Handrücken, »reitet einer vom Volk auf einem Blitz vom Dach der Welt herab und bewegt sich unter den Menschen, ohne daß jemand es weiß. Sie können sogar in den Schoß einer Frau eindringen und als Mensch wiedergeboren werden.«
    Turmfalke öffnete ihren Mund wie zum Sprechen. Doch sie schloß ihn wieder nachdenklich. »Du denkst, daß mein kleines Mädchen …«
    »Ich weiß es nicht«, beantwortete er ihre unvollendete Frage. »Aber es ist sehr gut möglich.«
    »Was würde das bedeuten?«
    »Es würde bedeuten, daß ich ein sehr großes Geschenk erhalten habe.« Er lächelte. »Und ein Geschenk, von dem ich nicht die geringste Idee habe, wie ich es würdigen soll.«
    Melisse betrachtete die Holzkohlenlinien mit zusammengekniffenen Augen. Sie wanden sich umeinander, überkreuzten sich und liefen auf sich selbst zurück. Manche Linien führten sogar aus dem Labyrinth hinaus und endeten in verschlungenen Knoten. Seine Brust war von Entsetzen erfüllt. Den ganzen Morgen über waren die Donnerwesen rastlos und verärgert gewesen. Grollend saßen sie in den Wolken und schleuderten Blitzstrahlen durch die Luft. Im Wind lag ein Geruch von Schnee. Melisse hatte Klebkraut nie gemocht, aber nie hätte er gedacht, daß der Mann zu so etwas fähig wäre. Vor allem nicht, wenn sie Sonnenjäger so dringend brauchten.
    Melisse machte sich ans Aufstehen, und Berufkraut und Balsam ergriffen seine Arme und stützten ihn, während er sich hochkämpfte. Geistesabwesend klopfte er ihnen auf den Rücken und betrachtete die Hügelkuppe mit dem Dorf. Er hatte Klebkraut gebeten, Sumach beim Entwerfen der Zeltmalereien

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