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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Entsetzen offenstehen, als Stechapfel, ohne auf den Gestank von Tod und Verwesung zu achten, mit dem Fuß die leuchtend verzierten Leichenhüllen auseinandertrat. Der Kopf des Kindes baumelte lose in einem Gewirr langen, schwarzen Haares, das in Strähnen ausfiel.
    »Hier!« schrie Stechapfel und hob eine geschnitzte Elfenbeinpuppe auf. »Die hier ist im Landesinnern ein Vermögen wert.«
    Tannin fiel auf die Knie und hielt die Ärmel vor die Nase, um den schrecklichen Gestank abzuhalten.
    Der Körper des kleinen Mädchens lag steif und gekrümmt da. Er war halb ausgetrocknet. Die leeren Augenhöhlen waren schon längst von Raben und Möwen saubergepickt worden. Anklagend starrten sie zu Tannin auf. Um den Mund herum war das Fleisch zu einer klagenden Totengrimasse eingefallen.
    Von Schluchzen gewürgt kroch Tannin auf zitternden Knien weg.
    Stechapfel hielt plötzlich inne und kniete sich nieder, um den Sand zu untersuchen. Sein schulterlanges graues Haar hing in schmutzigen Strähnen um das faltige Gesicht.
    »Schau her, mein Bruder!« sagte Stechapfel grinsend. »Siehst du diese Abdrücke? Wir haben sie!«

32. KAPITEL
    Vater Sonne - ein feuriger, orangefarbener Ball am wolkenlosen, blauen Himmel drang glühend durch das Schutzdach aus Baumwipfeln über Turmfalkes Kopf. Wo die Sonne oben die dichten Zweige durchdrang, dampften unten auf dem Boden feuchte Baumstämme. Geisterhafte Nebelfetzen trieben durch den Wald. Turmfalkes Mokassins traten einen gewundenen Pfad durch das taufeuchte Gras, als sie am Rand der Wiese den Hang hinab zum Strand ging. Sie mußte noch Flechten für das strahlende Gelb sammeln, das den zentralen Punkt in ihrem Gemälde bilden sollte. Sie beeilte sich, damit Sonnenjäger nicht auf sie warten mußte. Er hatte ihr gesagt, daß er bis zum Nachmittag schwitzen und singen wollte. Danach würden sie anfangen.
    Sie würde malen und er träumen.
    Die Furcht fraß nagend an Turmfalkes Magen, so wie das Stachelschwein im Winter an abgeworfenen Hirschgeweihen nagt. Den ganzen Tag hatte sie sich merkwürdig gefühlt, schon beim Schimpfen eines Eichhörnchens war sie hochgefahren. Sie wollte Sonnenjäger so gerne helfen. Aber konnte sie das?
    Die Möglichkeit des Mißerfolgs jagte ihr große Angst ein.
    Du weißt noch nicht einmal sicher, was für ein Problem er mit dem Träumen hat. Sie seufzte unbehaglich. Was für ein Problem war es? Die Windung im Labyrinth? Das hatte er während der Ameisentortur gesagt.
    Die ganze Nacht lang hatte sie mit dieser Vorgabe im Geist das Bild entworfen. Aber wenn sie falsch geraten hatte, konnte es sein, daß ihr Bild die Dinge für ihn nur noch schlimmer machte.
    Du mußt sicher sein, Turmfalke. Die Farben hatten Macht. Sie kamen aus der Seele von Schwester Erde. »Manche meiner Gemälde erwachen zum Leben«, flüsterte sie.
    Wolkenmädchens Sack hüpfte auf ihrem Rücken auf und ab, als Turmfalke einen großen Schritt über einen verfallenen Baumstamm machte und sich in ein üppiges Farnbeet kniete. Vor ihr lag ein Granitbrocken zwischen zwei hohen Tannen. Graugrüne Flechten hatten den Stein überwuchert.
    »Wenn meine Gemälde zum Leben erwachen, werden die Geister in ihnen selbständig. Niemand kann vorhersagen, was diese Geister tun werden.«
    Turmfalke band das Bündel an ihrer Hüfte auf und zog einen handtellergroßen Feuersteinschaber hervor. Die Flechten klebten an dem Stein fest wie gekochter Fichtenspargel, und Turmfalke mußte eine ganze Weile schaben und kratzen, bevor sie mit der ledrigen Pflanze ihren Beutel zur Hälfte füllen konnte. Sie band ihr Bündel wieder zu, trat aus dem Farngebüsch und lief auf den hangabwärts führenden Wildwechsel zu.
    Als sie die Bäume hinter sich gelassen hatte, wehte ihr die mit Rauch und dem Geruch siedender Pflanzen gefüllte Meeresluft entgegen. Sie hatten ihr Lager von der Landzunge zum Rand der Bäume verlegt, so daß Sonnenjäger seine Schwitzhütte an einem windgeschützten Ort aufbauen konnte. Den ganzen Morgen waren sie damit beschäftigt gewesen. Sie hatten einen nicht allzu großen, runden Rahmen aus Kiefernschößlingen gemacht und diesen mit den Fellen bedeckt, die sie sonst für ihre Nachtlager benutzten.
    Die Hütte lag in der Mitte eines Espenwäldchens, dessen grüne Zweige zitternd im Wind raschelten.
    Vor der Schwitzhütte glomm eine mit Steinen bedeckte Glutschicht.
    Turmfalke konnte sehen, daß Sonnenjäger schon mehrere der Steine weggenommen hatte. Er hatte sie mit Stöcken aufgenommen, ins

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