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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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außen und umeinander herum.
    Schon konnte sie spüren, wie erstes Leben sich in ihrem Gemälde regte.
    Klebkraut hielt kurz den Atem an.
    Angestrengt schauend und lauschend saß er stocksteif da. Das entstellte Labyrinth zu seinen Füßen hatte er vergessen.
    Die Kreaturen schössen um ihn herum zwischen den Bäumen und beobachteten ihn ständig. Das Mondlicht schimmerte blendend in ihren durchscheinenden Libellenflügeln. Sie waren plötzlich über ihn gekommen und so zahlreich in seine heimliche Stelle im Wald eingedrungen wie ein von einem geängstigten Stachelschwein abgeschossener Stachelregen.
    Da Klebkraut kein eigenes Zelt mehr hatte, war er gezwungen gewesen, seine heimlichen Aktivitäten ins Freie zu verlegen. Er konnte es nicht wagen, ein Feuer zu entfachen, und so hatte er im Dunkeln an dem Labyrinth gearbeitet. Seine Anstrengungen schienen die Donnerwesen anzuziehen wie Wasser durstige Tiere.
    Vielleicht lag es daran, daß ihm die Arbeit am Labyrinth diesmal so gut gelungen war. Der Pfad war gewunden und verdreht wie ein Gewirr von Ranken der Schraubenbohne, deren Ableger zum Teil auch in einander durchdringenden Spiralen nach außen strebten.
    Die Donnerwesen stießen auf ihn herab. Waren sie wütend? Versuchten sie, ihn zu vertreiben? Sie sausten wie silberne Speere durch den Wald und kamen nahe genug, um seinen Kopf mit ihren Klauen abzureißen.
    »Ihr seid so schön«, flüsterte er rauh.
    Ihre menschlichen Gesichter starrten ihn an. Sie sahen aus wie Kinder von nicht mehr als fünf Jahren.
    Manche hatten die pausbäckigen Gesichter von Säuglingen. Und ihre Flügel! Beim kleinsten betrug ihre Spannweite eine Körperlänge, aber beim größten fünf oder sechs Körperlängen. Wie konnten sie sich so sicher und anmutig durch den dichten Wald bewegen? Donnerwesen hatten magische Seelen.
    Wie war es ihm gelungen, sie herbeizurufen?
    Klebkrauts Mund öffnete sich immer mehr, je stärker er von ihren Bewegungen gefangengenommen wurde. »Es muß der Nachtschatten sein.«
    Er hatte die purpurfarbenen Blüten am Rand der Wiese an den trockenen, steinigen Stellen unter den Eichen gefunden. Obwohl ihm die Pflanze nie zu Gesicht gekommen waren, hatte er sie sofort nach Wandernder Lachs' Beschreibung erkannt: »Sie hat ein strahlend gelbes Inneres und zarte, violette Blütenblätter. Sie sind durchscheinend, aber die Purpurfarbe ist unglaublich leuchtend.«
    Wie klug es von ihm gewesen war, von Melisse zu verlangen, daß er das Dorf in den Vorbergen ansiedelte. Er hatte ein halbes Dutzend neue Geistpflanzen gefunden und wollte jede einzelne ausprobieren. Als Klebkraut den Roten Nachtschatten das erste Mal gesehen hatte, hatte er ihn mitsamt der Wurzeln ausgegraben und mit dem Experimentieren begonnen. Zuerst die Blüten, dann die Blätter. Diese Nacht hatte er die Wurzeln gemahlen und eine geringe Menge des Pulvers mit seinem Tee vermischt.
    Der todbringende Geist der Pflanze mußte ihm die Fähigkeit verliehen haben, die Donnerwesen herbeizurufen. Welche Macht! Er fühlte sich wie benebelt.
    Er hatte vorgehabt, sich heute nacht in einen Kurzschnauzenbären zu verwandeln und auf die Jagd zu gehen. Er hatte jedoch seinen Körper ganz zu Anfang in den ersten rauschhaften Momenten verloren.
    Nun schien er vom Waldboden emporzuschweben und zwischen den Welten der Erde und des Himmels zu hängen.
    Ich fühle mich so wie ein winziges, in Wolken eingesponnenes Donnerwesen, das sich von Regen nährt. Vielleicht seid ihr deswegen gekommen? Wollt ihr, daß ich einer der euren werde? Der Gedanke war völlig neu für ihn. Aber warum eigentlich nicht?
    Er schwebte höher und höher, bis er über die Wipfel der Bäume hinwegschaute. Vor dem Hintergrund des Sternenvolkes woben die Donnerwesen mit ihren Flugbahnen ein flammendes Lichtgewebe. Es ähnelte einem Netz, als sollte jemand gefangen werden. Gefangen?
    Der Traum wurde unscharf wie Nebel, der sich in der Sonne auflöst, und Klebkraut fiel schreiend hinab.
    Er wachte keuchend mit dem Gesicht im hohen Gras des Waldbodens auf. Entsetzt warf er sich auf den Rücken, um emporzuschauen. Die Donnerwesen waren verschwunden.
    Ein großer, bernsteinfarbener Hof umgab die Mondsichel von Alter-Mann-Oben am östlichen Horizont.
    »Was ist geschehen? Warum bin ich gefallen? Ich wollte fliegen. Kommt zurück! Ihr alle!«
    Der dunkle Wald flüsterte bedrohlich, und Klebkraut konnte spüren, wie in den Schatten etwas wuchs.
    Wie giftige Ranken, die sich nach einem Sommerregen entfalten,

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