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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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sowieso zu Stechapfel bringen muß. Nur um sicherzugehen. Ich möchte es nicht riskieren, ein Vermögen zu verlieren.« Er packte sie fest am Arm. »Komm! Meine Hütte ist viel größer als deine, und ich habe heute morgen einen Hirsch gejagt.
    Du kannst ihn für mich und meine Brüder zum Abendessen zubereiten.«
    »Mein Klan bringt euch dafür um!« schrie sie. »Ihr könnt nicht einfach mich und mein Baby ohne jeden Grund entführen. Meine Familie wird mich suchen.«
    »Soll sie. Ich habe viele bewaffnete Brüder. Gerade im Moment sind vier von ihnen in meinem Lager.«
    Grob zerrte er sie am Ärmel den Hang hinauf. Mit dem vorsichtigen Schritt des Kriegers glitten seine Mokassins leicht über das nasse Gras. »Laß mich los!« sagte Turmfalke. »Zumindest mußt du mich mein Bündel aus der Hütte holen lassen. Da sind Sachen drin, die mein kleines Mädchen braucht.«
    Gereizt hielt er an und ließ sie los. »In Ordnung, aber beeil dich. Bald ist es dunkel.«
    Glitzernde Sandwolken wirbelten über den Strand und prasselten zischend gegen die Zeltwände des Otter-Klan-Dorfes. Die meisten Leute schliefen noch. Nur die Hunde lungerten schon auf dem Dorfplatz herum und schlichen mit angelegten Ohren im stoßweise heranfegenden kalten Nordwind durch die Gegend. Der Wind trieb ein Meer blaugrauer Wolkentürme und den Duft von Regen vor sich her. Sonnenjäger lehnte die Schulter an den Stamm einer Tanne. Der Morgen graute, und rund um ihn her raschelte der Wald im Wind.
    Er betrachtete zwei geschmeidige Figuren, die gemächlich von den Bäumen herabkletterten. Er hatte auf sie gewartet. Vier Nächte hintereinander waren sie immer zur selben Zeit gekommen. Die Löwen schenkten ihm keine Aufmerksamkeit, trotteten über den Sand und kletterten auf die vom Wind abgeschliffenen Felsen am Rand des Meeres. Ihre Silhouetten zeichneten sich vom blaßblauen Himmel ab. Das Männchen hob die Schnauze und sog die Witterung der Meeresluft ein. Das Licht des frühen Morgengrauens schimmerte in seinem goldfarbenen Fell. Das Weibchen streckte sich auf den Felsen aus und legte den riesigen Kopf auf die Vorderpfoten. Sie gaben leise, verliebte Töne von sich, die neben dem Brausen der Brandung und dem Kreischen der Möwen kaum zu hören waren.
    Sonnenjäger lauschte. Die Löwen waren nicht mehr als einen Steinwurf entfernt. Doch er fürchtete sich nicht. Löwen waren schon viel länger in dieser Welt als Menschen, und ihre Gesichter spiegelten eine aus Alter und Weisheit geborene Gelassenheit wider, die ein Mensch kaum verstehen konnte. Manchmal, wenn Sonnenjäger in ihre Augen schaute, konnte er Dinge sehen und hören, die sich vor langer Zeit den menschlichen Sinnen entzogen hatten. Er hatte bei den Löwen gesessen und dem Gesang der Berge bei Sonnenuntergang gelauscht. Er hatte mit den Seelen der Schneeflocken gesprochen, die vom tiefhängenden Winterhimmel fielen. Die Löwen hatten ihn gelehrt, daß ein Seiendes sich unter dem dunklen Schleier der Nacht verbarg, und daß er, wenn er sich schnell genug umdrehte, einen Blick darauf erhaschen konnte. Sonnenjäger nannte es Rußkind, weil es an der Dunkelheit festhing wie Ruß an einer Zeltdecke.
    »Das ist das Zeichen«, flüsterte er, als er an den Löwen vorbei auf Mutter Ozean blickte, deren Gesicht im Morgengrauen aschfarben geworden war.
    In den anbrandenden Wellen sahen die dreiundvierzig Mammutskelette wie riesige, weiße Käfige aus.
    So viele Mammuts auf einmal hatte Sonnenjäger in seinem ganzen Leben noch nicht gesehen.
    Normalerweise waren sie in kleinen Herden von nicht mehr als zehn Tieren unterwegs, obwohl er vor sechs Wintern mal eine Herde von siebenundzwanzig Tieren beobachtet hatte. Von Riesenwölfen und Raubkatzen abgerissene und verschleppte Beinknochen lagen auf dem Sand herum, doch die Brustkörbe waren unversehrt geblieben. Kreischende Möwenschwärme hatten sich besitzergreifend auf ihnen niedergelassen und flatterten in die offenen Bäuche. Die Leute vom Otter-Klan-Dorf hatten genug Fleisch abgeschnitten und geräuchert, um für einen ganzen Jahresumlauf zu essen zu haben. Sie hatten auch die Leute von nahe gelegenen Dörfern herbeigerufen und sie gebeten, zu nehmen, was sie brauchten. Alle waren mit großen Fleischpacken weggegangen. Die meisten hatten gelächelt.
    Sie waren blind wie augenlose Fledermäuse.
    Als Sonnenjäger auf die traurigen Überreste dieser riesigen Tiere schaute, verwandelte sich die Furcht, die ihn schon seit Monaten verfolgt hatte, in

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