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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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murmelte Melisse, »ich habe es gesehen.«
    Sonnenjäger schaute Melisse lange in die besorgt blickenden Augen. »Ich habe sie gefragt, warum sie unzufrieden sind, Melisse. Was sie vom Leben wollen. Sie sagen dann, sie seien darüber verärgert, daß Winterjunge zu ihnen so hart war und daß sie so weit gehen müssen, um die paar Knollengewächse auszugraben, die überhaupt noch wachsen. Oder sie sagen, daß sie mehr Fleisch brauchen. Wütend fragen sie: ,Wohin sind all die Mammuts und Mastodons verschwunden? Was ist mit den Riesenfaultieren geschehen, die sich früher überall versteckten?' Einige flüstern, daß das Ende der Welt sich naht. Sie fragen, ob ich es nicht gesehen habe. Ich bin ein großer Träumer. Wenn sie es gesehen haben, dann ich doch sicherlich auch.« Seine Stimme erstarb, und Übelkeit stieg von seinem Magen auf. Schwach wiederholte er: »Dann ich doch sicherlich auch.«
    »Und was antwortest du ihnen, Sonnenjäger?«
    »Ich sage ihnen, daß sie Geduld haben sollen. Gebt nicht auf, sage ich. Laßt uns abwarten, was die Geister noch für uns bereithalten. Doch ob sie es nun verstehen oder nicht, ich kenne die Ursache ihres Schmerzes.«
    Melisse trat einen Schritt näher. Seine Augen verengten sich wie vor Furcht. »Was ist die Ursache?
    Das frage ich mich schon seit langem.« Sonnenjäger lächelte schwach. »Es ist so klar. Warum scheine nur ich das zu verstehen? Die Menschen haben alle Mastodons und Riesenfaultiere getötet. Wir sind dabei, alle Mammuts zu töten.« Er schüttelte die Faust. »Aber wir haben ihre Stimmen nicht zum Schweigen gebracht. Das einsame Trompeten und das verspielte Grunzen die Stimmen all der Tiere, die wir getötet haben sind in die Wildnis in unserer Seele eingegangen, wo wir sie für immer hören werden. Nach Hunderten von Jahresumläufen sind die Rufe all der Toten so laut geworden, daß sie einen heftigen Schmerz in unserer Seele erzeugen. Er ist fast unerträglich. Und die Menschen weigern sich, auf die Rufe zu antworten. Vielleicht haben wir Angst. Vielleicht wissen wir auch nicht mehr, wie man antwortet.« Sonnenjäger hielt inne und versuchte, die richtigen Worte zu finden. Seine Augen suchten die Löwen. Das Weibchen leckte sich die Pfoten und schnurrte dem Männchen zu. Schließlich sagte Sonnenjäger: »Außer bei Nacht.« »Bei Nacht?«
    »Ja. Vergangenen Mond erzählte mir eine sehr alte Frau, die als Kind Mastodons gesehen hat, daß sie im Traum zum Mastodon wird. Sie sagte, es fühle sich so warm an, in dieser zotteligen Haut zu leben.
    Sie sagte, sie könne den Wind in ihrem langen Fell spüren, wenn sie die Gegend nach Zweigen und Buschwerk absuche. Sie sagte, wenn sie ihren Rüssel hebe und trompete, dann erzittere die ganze Welt.
    Und ich sage dir noch etwas, Melisse: Meine eigene Wildnis hat gezittert, als ob die Geister-Der-Bebenden-Erde von meiner Seele Besitz ergriffen hätten. Ich habe darüber nachgedacht und geglaubt, wenn alle in ihren Träumen trompeteten, dann kämen vielleicht die Mastodons zurück. Ich habe nie eines gesehen, und doch fehlen sie mir. Mir fehlt das Geräusch ihrer schwerfälligen Schritte und ihr Anblick, wenn sie beim Paaren die Rüssel zärtlich ineinander verschlingen. Ich habe gehört, wie die alten Leute es beschrieben.«
    Melisses runzliges Gesicht nahm einen mitfühlenden Ausdruck an. Er hob eine Hand und berührte eine Strähne von Sonnenjägers Haar. »Ist dein Haar davon weiß geworden? Von dieser Furcht?«
    Möwen flatterten über den Mammutgerippen, und Sonnenjägers Magen fühlte sich an wie ein Eisklumpen. Er konnte Melisse nicht von dem Labyrinth erzählen. Noch nicht. »Ist eine Welt ohne Mastodons oder Mammuts das Leben noch wert, Melisse? Sag mir das. Ich muß es wissen.«
    Melisse hob das Gesicht zum Himmel. Die Wand aus blauschwarzen Wolken kam immer näher, und die ersten Regentropfen fielen auf seine Wangen. »Ist das nicht der Grund, warum wir den Mammut-Geist-Tanz abhalten? Damit wir uns und die Mammuts retten können? Ich dachte, das war es, was Wolfsträumer dir gesagt hat, als du das Land der Toten besucht hast.«
    Sonnenjäger verschränkte die Arme noch enger vor der Brust. »Das hat er mir gesagt. Ja.«
    »Doch du warst der Meinung, daß der Tanz wirkungslos bleiben wird. Ist es das?«
    »Das habe ich nicht gesagt. Ich meine …«
    »Daß wir sterben werden. Genau wie die Mammuts am Strand.«
    »Nein, nein, Melisse. Ich …«
    »Du hast den Glauben verloren, Träumer«, unterbrach Melisse. Es

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