Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
Vom Netzwerk:
war jedoch kein Vorwurf in seiner Stimme, nur eine tiefe Traurigkeit.
    Sonnenjäger wollte laut widersprechen, doch er senkte nur den Kopf.
    Melisse flüsterte: »Wie ist das geschehen? Wann ist es geschehen, Sonnenjäger? Es ist ohne Bedeutung, wirklich, aber ich würde es gerne wissen.«
    »Ich habe den Glauben noch immer«, antwortete Sonnenjäger so leise, daß es fast nicht zu hören war.
    »Vielleicht hast du Hoffnung. Ja, vielleicht. Doch Hoffnung ist nicht dasselbe wie Glaube. Also sage mir, Träumer, wie kommt es, daß ein Mann, der Wolfsträumer von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden hat, den Glauben verliert. Heute abend, bei der Ratsversammlung, werden die Leute dich das fragen. Klebkraut wird es dich fragen. Bereite dich darauf vor.«
    Sonnenjäger stieß den Atem aus. »Oh, ich bin auf vieles vorbereitet. Ich habe die Gerüchte über Klebkrauts Traum gehört. Tief in meinem Innern fürchte ich, er könnte recht haben, und das beunruhigt mich am meisten. Ich habe Probleme, Melisse. Probleme mit dem Träumen.«
    »Was meinst du damit? Probleme? Das heißt doch nicht, daß Mammut-Oben dich verlassen hat, wie Klebkraut behauptet.«
    »Nein, aber …«
    Helfer schlug plötzlich an und schlüpfte aus dem kleinen Zelt, das Melisse für sie aufgebaut hatte. Der Hund hatte das kahle Ohr aufgestellt, und seine Augen glänzten wie Obsidian unter Wasser.
    Sonnenjäger zog die Stirn in Falten. »Was ist los, Helfer?«
    Der Hund lief an ihm vorbei und sprang über den Sand auf die Löwen zu. Das große Männchen erhob sich und ließ ein Grollen ertönen, das aber nicht auf Helfer gemünzt war, sondern auf irgend etwas, das es im Wald spürte. Vor seinem Maul stand eine schimmernde, graue Atemwolke. Als Helfer den Strand nach Norden in Richtung auf die Mammutskelette entlanglief, sprangen beide Löwen von den Felsen herab und folgten ihm.
    »Was sehen sie denn?« fragte Melisse.
    »Ich weiß es nicht. Ich sehe gar nichts.« Doch Sonnenjägers Herz begann wild zu hämmern. »Bleib hier, Melisse! Ich werde nachschauen.« Sonnenjäger hatte gerade drei Schritte gemacht, als jemand im Dorf aufschrie. Er wirbelte herum.
    Das erste Mammut brach wie eine Flutwelle mit hin- und herpendelndem Haupt und gegen den Kopf schlagenden Ohren durch die Bäume. Sein lang und zottig herabhängendes, rötlichbraunes Fell schwang beim Rennen gegen den Körper. Es hob den Rüssel und trompetete wütend, bevor es, dicht gefolgt von sechs weiteren Mammuts, mitten in das Dorf trampelte.
    Die Löwen brüllten und suchten zwischen den Bäumen Zuflucht, während die Hunde jaulend und mit eingekniffenem Schwanz auseinanderjagten.
    Sonnenjäger war wie betäubt, als die Mammuts über die bebende Erde an ihm vorbei auf das Dorf zudonnerten. Melisse fiel einen Schritt zurück, sein Mund blieb vor Schreck offenstehen.
    »Heilige Mutter Ozean«, flüsterte Sonnenjäger. »Warum geschieht das?« Ein Angriff, so kurz nachdem die Mammutherde ertrunken war? Was versuchte Mammut-Oben den Menschen zu sagen? Sie mußte verzweifelt sein, wenn sie …
    Das Dorf, aus dem Schlaf gerissen, verwandelte sich in einen Tumult schreiender und rennender Menschen. Frauen packten ihre Kinder und rannten mit ihnen in den Schutz der dichtesten Bäume, während die Männer verzweifelt versuchten, ihre Speere so schnell wie möglich in die Atlatls einzulegen. Drei der Mammuts stampften die Zelte nieder, während die drei anderen Mammuts laut trompetend die Menschen verfolgten.
    »Sonnenjäger, hol deine Waffen!« rief Melisse. »Ich kann kein Mammut töten!« stieß Sonnenjäger hervor. »Für mich sind sie heilige Tiere. Ich kann es nicht tun!«
    »Willst du lieber, daß sie statt dessen uns töten?« schrie Melisse wütend. »Verlaß unser Dorf und komm nie mehr zurück!« Auf seinen alten Beinen rannte er zu seinem Zelt und den Waffen.
    Sonnenjäger stand reglos da und sah zu, wie die Leitkuh ein kleines Kind verfolgte. Das Mädchen rannte schreiend vor der Kuh her auf sein Zelt zu. Doch die Kuh erfaßte es mit ihrem Rüssel und hob das sich windende Kind vom Boden hoch. Die Mutter des Kindes schrie auf und warf sich mit einem Tannenast in der Hand der Kuh entgegen. Die schleuderte das Mädchen auf die Mutter, bevor sie beide zertrampelte.
    »Nein!« schrie Sonnenjäger. Er kroch in sein Zelt und kam mit seinem Atlatl und dem über die Schulter gehängten Speerköcher wieder heraus.
    Die Wut der Herde machte ihn benommen. Überall erhoben sich graue Aschenwolken

Weitere Kostenlose Bücher