Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen
deutliche Warnung.«
»Auf der Insel hörte ich ihn sagen, daß die Frau von Hundefresser einen Liebhaber hat. Er schien es zu glauben.«
Otter verschränkte seine Finger hinter dem Rücken. »Es scheint zwar unmöglich, aber Grüne Spinne weiß viel mehr, als er erzählt -und man kann es ihm nicht entreißen. Wenn man zu starken Druck auf ihn ausübt, gibt er gar nichts mehr preis. Ich denke, er wußte genau, was er zu Hundefresser sagte, wußte wann dein Speer treffen würde. Perle, er hat alles gesehen, bevor es passierte.«
Perle, wo bist du da hineingeraten? Sie preßte ihre Finger auf den Mund. Wie konnte Grüne Spinne etwas über den Delphin wissen? Sie fragte: »Warum hat er dich dann nicht vor den Khota gewarnt, dir Zeit zur Flucht gegeben? Wir hätten diese Krieger nicht töten müssen. Und du würdest jetzt nicht in dieser bösen Geschichte stecken.« »Tja, es sei denn…« »Was?«
»Es sei denn, diese Krieger mußten sterben, um dich zu zwingen, mit uns zu kommen. Der Geist der Macht hat uns benutzt, aber zu welchem Zweck?«
Der Geist der Macht benutzt uns? Sie fröstelte. Verfolgte sie die Macht? Warum war das Kanu des Händlers dagewesen, als sie es am dringendsten brauchte ?
Eine unheimliche Vorahnung beschlich sie. »Wolf der Toten ist am Leben, weil die Macht nicht wollte, daß ich ihn töte. Die Macht rettete ihn - nicht die Wolfsmaske.« »Was?«
Sie hob die Hand, um ihn am Reden zu hindern, während sie versuchte, noch mehr zu verstehen; doch es wurde undeutlich, verschwand. »Also treibt uns der Geist der Macht zu diesem Wasserfall?«
»Ja, soviel ich…« Otter hielt inne und blickte über die mondbeschienenen Felder.
Perle drehte sich um. In den Gänsefußfeldern konnte sie einen Mann mit einem Hund sehen. Der Mann sprang, machte kehrt, rannte. Dann beschrieb er einen Kreis und raste den Weg zurück, den er gekommen war. An Kleidung und Gang erkannte sie Grüne Spinne. Der Hund genoß offensichtlich das Spiel.
»Falls das Schnapper ist«, sagte Otter, »schlage ich ihn tot, weil er das Kanu und die Ballen verlassen hat.«
»Nein.« Sie legte eine Hand auf seinen Arm. »Warte. Etwas ist eigenartig…«
Die Entfernung hatte sie getäuscht, das waren nicht der Verdreher und Schnapper. »Das ist kein Hund, Händler. Das ist ein Wolf.«
28. KAPITEL
Ich habe die Freiheit zu wählen. Ich hätte ablehnen können. Schließlich war es nicht mehr als ein Schrei in der Dunkelheit. Aber dieses leise Winseln rührte mein Herz - und so stand ich auf und ging hinaus, um den Wolf zu treffen.
Seltsam, von allen Seelen in der Natur legen nur Menschen und die Macht Wert auf Versprechen von Menschen. Die anderen Geschöpfe haben längst von unserer Falschheit gehört.
Aber ich lehnte nicht ab… seine Worte haben mich verwirrt. Was bisher ein gerader, klarer Weg war, gabelt sich nun.
Doch jeder Pfad führt mich zum selben Ziel.
Er setzte mir keine Frist für meine Entscheidung. Als ich zögerte, mahnte er mich jedoch, daß keine Entscheidung auch eine Entscheidung wäre.
Ich muß diesen Gedanken in meiner Seele behalten…
Weiße Blitze zuckten über den wolkigen Himmel, gefolgt vom Donner, der den Boden erbeben ließ.
Angeschwollene Bäche traten über die Ufer und strömten über das Schwemmland.
Sternmuschel war am ganzen Körper naß, und sie fror. Sie hatte Bilder vom trockenen Haus von Grüßt die Sonne im Kopf. Wärme, Sicherheit - alles war dahin. Nie mehr würde er für sie lächeln, nie mehr seine starken, zarten Hände nach ihr ausstrecken.
Sternmuschel zog das Bündel auf ihrem Rücken wieder fest und betrachtete die dunklen Wolken.
Nirgendwo konnte sie einen hellen Schimmer entdecken.
»Mir ist kalt«, jammerte Silberwasser. »Ich will nach Hause. Ich möchte zu meiner Großmutter.«
»Ich weiß, Liebes. Aber wir müssen weitergehen. Wir finden bald einen Ort, wo wir uns aufwärmen können.«
»Dort unten.« Langer Mann deutete über eine Ebene. »Da ist das Tiefland des Roten Rehbockclans.
Dort finden wir auch ihr Gesellschaftshaus. Sie werden uns aufnehmen.«
»Noch mehr Freunde von dir, Magier? Bis jetzt hat jeder Freund, den wir getroffen haben, teuer für unsere Ankunft bezahlt.« Sie zog eine Braue hoch.
»Hast du denn eine bessere Idee, Sternmuschel? Es wird bald Nacht.«
»Mama, gehen wir hin! Mir ist kalt«, rief Silberwasser. Durchnäßt, wie sie war, machte sie einen sehr unglücklichen Eindruck.
Es ist nicht ihre Schuld. Warum muß sie leiden? Sternmuschel
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