Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze
gut«, sagte Schote. »Ich nehme solche Dinge sehr ernst, aber ich will, dass du zuerst einmal an die Sicherheit deiner Frau denkst. Geister wissen auch nicht alles, glaube ich. Für alle Beteiligten wäre es vielleicht das Beste, wenn du hier bliebest, uns packen hilfst und mit uns zum Kernholz-Dorf ziehst.
Wir könnten dich gut brauchen, Teichläufer.« Seine Blicke glitten zur Reihe der Leichen am Dorfrand.
Die über sie gebreiteten farbigen Decken wölbten sich im Wind, und gelegentlich erhaschte Schote einen Blick auf das in Entsetzen erstarrte Gesicht eines lieben Freundes. Immer noch drangen Klagelaute aus den Hütten. Wie mit einem Lederriemen umschnürt zog sich ihm das Herz zusammen, so sehr, als ob es gleich zerbersten müsste. »Wir brauchen jeden gesunden Mann, den wir bekommen können.«
Teichläufer sah in die tanzenden Flammen; der orangefarbene Schein lag auf seinem Gesicht. Die rosige Färbung der Haut und der Abglanz des Feuers ergaben eine seltsame Farbmischung, die ebenso fantastisch wie geisterhaft war. Er fühlte sich, als wäre er auf den Grund eines Riffs getaucht und hätte dort ein in die Korallen gemeißeltes Gesicht entdeckt.
Da er nicht antwortete, sagte Schote: »Und was machst du, wenn sie deine Frau töten? Dann wirst du wahrhaft allein sein, inmitten feindselig gesinnter Fremder. Sei ehrlich zu dir selbst, Teichläufer. Der dümmste Krieger der Welt könnte sich von hinten an dich heranschleichen und dir die Kehle durchschneiden. Das weißt du auch. Weder ich noch deine Frau möchten, dass das geschieht.«
Der junge Mann blickte mit klaren Augen auf. Als hätte er nicht zugehört, sagte er: »Schote, bevor wir aufbrechen, ist da noch etwas, was ich dich fragen muss. Hundszahn hat es mir aufgetragen.«
»Hundszahn hat es dir aufgetragen? Heilige Geister, das macht mir Angst. Worum geht es?«
Teichläufers weiße Brauen zogen sich zusammen. »Um das, was Kupferkopf Muschelweiß angetan hat, als sie zehn und einen Sommer alt war. Hundszahn meinte, es wäre sehr wichtig für mich, das zu wissen.«
Schote hatte das Gefühl, eine Riesenhand hätte seine Seelen gepackt und geschüttelt. »Hundszahn meinte, du solltest mich danach fragen?«
Teichläufer nickte. »Ja.«
Schotes Hände verrieten sein Unbehagen. Er faltete sie, um seine Unruhe zu verbergen. »Was würde das ändern, wenn du es wüsstest?«
»Das habe ich Hundszahn auch gefragt«, erwiderte Teichläufer. »Und er sagte Folgendes: Es könnte dein Leben und ihres retten; sehr bald wirst du mit Muschelweiß unterwegs sein, unter schwierigen Bedingungen, und du musst unbedingt wissen, wer sie ist und wer sie zu dem gemacht hat, was sie ist, bevor ihr aufbrecht.« Teichläufer spähte unter seinen farblosen Lidern zu Schote auf. »Ich weiß nicht, warum er das gesagt hat. Aber er hielt es für sehr wichtig, dass ich dich darüber befrage. Er hat auch gesagt, es würde sehr schwer für mich sein. Bitte sag es mir, Schote, ich verspreche dir, es niemandem zu erzählen.«
Es hatte sich vor langer Zeit zugetragen, war aber noch nicht lange genug her, als dass Schote seine Wut und seinen Hass vergessen hätte. Die vergangenen dreimal zehn Sommer hatten diese starken Gefühle nicht einmal abschwächen können. Und jetzt hing vielleicht das Leben seiner Tochter davon ab, dass er über diese Ereignisse sprach?
Schote setzte sein Kürbisgefäß ab. Teichläufer beobachtete ihn, das jungenhafte Gesicht angespannt, die rosafarbenen Augen voller Hoffnung und ängstlich zugleich. Moskitos umschwirrten sein Gesicht, aber er bemerkte sie nicht.
Schote hielt den Atem an. Hundszahn war verrückt, doch nach allem, was Schote wusste, hatte der große Seelentänzer noch nie gelogen. Wenn er meinte, dass das Leben von Muschelweiß davon abhing, dann stimmte das wahrscheinlich auch. Dennoch brauchte Schote eine Weile, um sich zu überwinden.
»Kupferkopf besaß eine rätselhafte Macht über Muschelweiß«, begann er sanft. »Aber nach ihrer Heirat, glaube ich, wurde die Macht noch stärker.«
»Sie war mit Kupferkopf verheiratet? Das hat mir niemand gesagt«, flüsterte Teichläufer.
»Das wussten sicher nur wenige. Sie heirateten in aller Stille. Es gab keine Zeugen. Kein Festessen.
Keine Hochzeitsfeier.«
»Warum nicht?«
Schote stieß die Kürbistasse mit dem Zeigefinger herum. »Weil Kupferkopf es so wollte. Wenn die Leute erst wüssten, dachte er, dass sie seine Frau ist, würden sie sicher einen Weg finden, um sie gegen ihn
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