Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze
sagte: »Erzähle es ihm ruhig, Teichläufer. Er fragt im Ernst, er ist ein Nichtswisser.«
Lustlos fing Teichläufer an: »Blitzjünger werden dann geschaffen, wenn ein Blitz in den Schoß einer Frau einschlägt und -«
»Na ja, das bezweifelt ja keiner«, sagte Schwebestern. »Tatsache ist, dass ein Blitzschlag vielleicht das Einzige ist, was deine Mutter noch überraschen kann. Möchte wetten, sie legt sich bei jedem Gewitter mit gespreizten Beinen hin und hofft -«
»Bist wohl eifersüchtig, Schwebestern? Beachte ihn nicht, Teichläufer. Den macht ein Grashalm eifersüchtig. Jetzt sag mir -«
»Nicht eifersüchtig, Schwarzer Regen«, entgegnete Schwebestern mit hämischem Grinsen.
»Gelangweilt. Völlig schlaff vor Langeweile. Und langweilig sein, das ist doch das Letzte, was du willst, oder?«
Am liebsten hätte sie ihm dieses Grinsen aus dem hässlichen Gesicht geschlagen. Sie nahm sich das für später vor. Sie würde schon einen Weg finden, um sich für diese Bemerkung zu rächen. Ihren Sohn fragte sie: »Wie steht es mit deiner Ehe, Teichläufer? Bist du glücklich?«
Der Junge schien kurzatmig. Er fand kaum die Kraft, um sich zu äußern. »Ja, Mutter.«
»Und Muschelweiß? Wie wurde sie verletzt?«
Teichläufer trat nach einem Eichenzweig auf dem Boden. »Wir sind überfallen worden.«
»Und sie hat einen Schlag auf den Kopf bekommen?«
Teichläufer nickte.
»Aber warum wickelt sie sich nicht in ihre Decke und schläft? Sie sollte -«
»Weil sie Muschelweiß ist, meine Süße«, antwortete Schwebestern anstelle von Teichläufer. »Da braucht es mehr als einen kurzen Hieb auf den Kopf, um sie auszuschalten, besonders da sie weiß, dass ihr Mann Tauchvogel noch am Leben ist und in den Händen von Kupferkopf. Übrigens«, fuhr er fort und betrachtete Teichläufer jetzt mit einiger Furcht, »der einzige Grund, weshalb Kupferkopf Muschelweiß einfangen will, bist du, Blitzjünger. Möchte selber wissen, warum.«
»Ich?«
»O ja. Kupferkopf will dich ganz dringend haben.«
Schwarzer Regen erstarrte bei diesem Namen. »Kupferkopf, den habe ich nie gemocht.«
»Er hat dich genauso wenig gemocht, Süße.« Schwebesterns Augen funkelten. »Ich weiß noch, wie du versucht hast, ihn dir zu schnappen, das war bei der Winterfeier der Sonnenmutter, aber er -«
Teichläufer rappelte sich mühsam auf. »Meine Frau braucht mich.«
Schwebestern lachte, als Teichläufer in einen Eichbaum lief, über eine Palme stolperte und mit wehendem Gewand zu Muschelweiß eilte. Er kniete sich neben sie, und Muschelweiß legte zärtlich einen Arm um ihn. Er rückte so dicht neben sie, wie es ging, ohne sich direkt in ihren Schoß zu setzen.
Schwarzer Regen sagte verächtlich: »Er war nie der Mann, der er hätte sein sollen.«
»Das war sicher der einzige Grund, warum du dir den eigenen Sohn nicht unter die Decke gezogen hast.«
»Mach dich nicht lächerlich. Meine Mutter hätte mir die Kehle durchgeschnitten.«
Schwebestein rieb sich übers Kinn. »Wundert mich, dass sie's nicht sowieso getan hat.«
Biberpfote betrachtete Teichläufer. Der Junge schien ganz krank. Er klammerte sich an die Hand von Muschelweiß, als wäre es ein Baumstamm in einem Wirbelsturm. Biberpfote bedauerte ihn und fragte sich, womit Schwarzer Regen ihren eigenen Sohn wohl gedemütigt hatte. »Sprich weiter«, drängte ihn Muschelweiß. Biberpfote nickte. Trotz ihrer Verletzung strahlte Muschelweiß eine Kraft aus, die sogar Biberpfote anfeuerte. Er beugte sich vor und sprach gedämpft. »Schwebestern sagt, dass Kupferkopf geträumt hat, wie du im Dorf ankommst. Er weiß, dass du kommst. Und alles andere ist genauso schlimm.«
»Erzähle!«
Biberpfote verschränkte die Finger und rieb die Handflächen aneinander. »In seinem Traum hattest du keine Streitkraft dabei, da kamen nur du und der Blitzjünger, um Tauchvogel zu befreien. Er hat dir eine Falle gestellt, um dich zu fangen.«
Sie biss die Zähne zusammen. »Was für eine Falle?«
Biberpfote fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und blickte zu Schwarzer Regen und Schwebestern hinüber, um sich zu vergewissern, dass sie sich nicht gerührt hatten. Dann sah er wieder Muschelweiß in die Augen. »Es wird angenommen, dass du gegen Abend ins Dorf kommst. Da ist eine alte Eiche, mit hängendem Moos, an der nordwestlichen Ecke des Dorfs.«
»Ich kenne den Baum.«
»Kupferkopf hat geträumt, dass du mit Teichläufer von dort einfällst. Dort hat er Krieger stehen, die nur auf dich
Weitere Kostenlose Bücher