Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

er sich wieder gegen den Baumstamm lehnte, sah er Häsling mit angstvoller Miene auf sich zukommen. Eulenfalter humpelte ihm steifbeinig entgegen.
    »Was gibt's?« fragte er.
    Häsling blieb keuchend stehen, das spitze Kinn und die gerade Nase mit Schweiß bedeckt. Sein Atlatl und der Dolch hingen ihm vom Gürtel seines Schurzes. Er sagte: »Komm mit und sieh selber, ich weiß nicht, was ich davon halten soll.«
    Häsling führte ihn ein Stück Wegs zurück. Mannshohe Feigenkakteen standen auf beiden Seiten; an vielen Polsterenden hingen rote Früchte, die schwach würzig rochen. Eulenfalter musste oft seitlich ausweichen, um den langen Dornen aus dem Weg zu gehen.
    Vor sich sah er Häsling hinter einem Dickicht von Fächerpalmen knien, und dann traf ihn selbst der Gestank: verwesendes Fleisch. Da überfiel ihn Angst und lähmte sein Denkvermögen.
    Nicht meine Mutter, bitte, Bruder Erde …
    Häsling stand auf. Eulenfalter rief: »Wer ist es? Sag!«
    Häsling schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Zwei Männer.«
    »Bist du sicher?« fragte Eulenfalter und trat neben Häsling.
    »Ja.«
    Sie trugen beide nur Lendenschurze, ihre Oberkörper waren nackt.
    Eulenfalter hielt den Atem an, um sich nicht übergeben zu müssen. Er wich etwas zurück und betrachtete die aufgeblähten, verwesenden Leichen. Ein Speer durchs rechte Auge hatte den einen getötet, der Schädel des anderen war durch zwei machtvolle Schläge mit der Kriegskeule zerschmettert worden.
    Eulenfalter machte große Augen. »Heilige Geister, Häsling«, sagte er. »Den Mann links, den mit dem eingeschlagenen Schädel, den kenne ich. Der war einmal Kommandant unter Kupferkopf. Seit letzten Sommer habe ich den fünfmal gesehen, jedes Mal, wenn Windeck-Dorf überfallen wurde, und zuletzt, als seine Krieger unseren Aufklärungstrupp überfielen.«
    »Und der andere?«
    Eulenfalter schüttelte den Kopf. »Ich glaube, den kenn ich nicht -« Plötzlich zog er die Brauen zusammen. »Warte.« Er machte drei Schritte vorwärts und betrachtete das Gefieder des Speers.
    »Häsling! Meine Mutter hat diese Männer getötet. Das ist ihr Speer. Das könnte ich beschwören.«
    »Also ist sie hier entlanggekommen.«
    »Ganz bestimmt.« Eulenfalter bückte sich und betrachtete prüfend den Boden. »Sieh dich mal um, Häsling. Findest du irgendwo Spuren? War Teichläufer bei ihr, als sie überfallen wurde?«
    Häsling sah sich um. »Seit dem Tod dieser Männer hat es geregnet, Eulenfalter. Selbst wenn Teichläufer bei ihr war, lässt sich das wahrscheinlich nicht mehr feststellen.«
    Eulenfalter schob einen Palmwedel zur Seite und prüfte die versteckten Stellen darunter. Nichts. »Ich weiß, Häsling. Ich hätte Rotalge gern eine gute Nachricht überbracht.«
    Leise fragte Häsling: »Machst du dir immer noch Sorgen, dass Teichläufer Muschelweiß vielleicht nicht gefunden hat?«
    »Wir wissen nur eines ganz genau, nämlich dass Kupferkopfs Krieger nach dem Angriff auf Windeck-Dorf im Wald verstreut waren und dass meine Mutter zwei von denen getroffen und getötet hat. Was Teichläufer angeht…«
    Häsling untersuchte kniend eine Vertiefung in einem Häufchen Laub. »Du meinst, er hätte auch ein paar dieser Krieger treffen können, bevor er Muschelweiß einholte?«
    Eulenfalter hörte die Sorge und die Angst in seiner Stimme und sagte: »Nur die Ruhe! Vielleicht ist Teichläufer völlig außer Gefahr. Aber ich wünschte, wir könnten irgendwie feststellen, dass er auf meine Mutter gestoßen ist, dann wäre mir wohler.«
    »Ja, mir auch. Ich -« Er fiel auf die Knie. »Eulenfalter!«
    »Hast du etwas gefunden?« Er humpelte heran und stützte die Hände auf die Knie.
    Häsling deutete auf verklumptes Laub im Sand unter den kleinen Fächerpalmen und schaute dann zu Eulenfalter hoch. »Das sieht mir ganz nach einem blutigen Sandalenabdruck aus«, sagte er.
    »Kannst du es aufheben, Häsling? Sehen wir uns das mal genauer an.«
    Häsling sammelte die Blätter zusammen und reichte sie Eulenfalter. Es waren vier Eichenblätter und mehrere Kiefernnadeln, mit altem Blut verklebt. Das Blut hatte durch die gewebte Sandalensohle ein bestimmtes Muster bekommen. »Sie ist offenbar ins Blut ihres Opfers getreten und hat es in diese Richtung weitergetragen. Sieh mal nach, ob du noch so etwas findest, Häsling.«
    Häsling kroch auf allen vieren weiter und sah unter jede versteckte Stelle. »Eulenfalter! Sieh mal! Hier noch einmal. Und hier wieder.«
    Dicke Lianen hingen von einem