Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze
tun, wie es sich gehörte, und weiterhin als Große Kriegerin in Erscheinung treten, und die ganze Zeit würde ihr dabei das Herz brechen. Tauchvogel litt mit ihr.
»Ich hatte das nicht begriffen«, sagte Kupferkopf. »Bis heute Morgen.« »Was begriffen?«
»Den Traum, den ich vor zwei Sommern hatte. Ich wusste, dass Muschelweiß mir den Blitzjünger bringt, aber nicht, unter welchen Umständen.« »Wovon redest du?«
Kupferkopf benetzte seine Lippen. »Sie heiratet einen Blitzjünger, Tauchvogel. Sein Name ist Teichläufer - vom Kernholz-Clan.«
»Ja, ich erinnere mich an ihn. Er ist sehr jung, nicht wahr? Zehn und vier Sommer alt? Vielleicht zehn und fünf?«
»Zehn und fünf Sommer. Sein eigener Clan hat Angst vor ihm. Ich habe natürlich seit seiner Geburt von seinem Dasein gewusst, aber ich hatte keine Ahnung, dass er ihr Mann sein würde, wenn sie ihn zu mir bringen würde.«
Tauchvogel schüttelte den Kopf mit der Absicht, auch das Fieber abzuschütteln. Es kam ihm vor, als schwebte er auf einer heiß dampfenden Wolke. »Davon hast du geträumt?«
Kupferkopf nickte. »O ja. Ich weiß genau, wie es ablaufen wird. Ich weiß auch schon, wo. Ich weiß nur noch nicht, wann.«
Tauchvogel zwang sich, genau zuzuhören. »Wie was abläuft? Sag's mir.«
Kupferkopf streckte sich neben ihm aus und stützte einen Ellbogen auf. Beiläufig deutete er auf eine hohe Eiche mit hängendem Moos, die sich nordwestlich vom Dorf befand. Kinder spielten darunter, lachten und schrien. »Sie wird von dort oben angreifen. Und jetzt höre genau zu, denn du spielst eine große Rolle in dieser Sache. Du wirst sie anrufen, und sie -«
»Was? Ich soll …« In diesem Augenblick beschloss Tauchvogel, dass er sie niemals anrufen würde, und hinge auch der Fortbestand der Welt davon ab.
»Ja. Natürlich. Warum glaubst du, dass ich dich gefangen genommen habe? Nur durch dich werde ich in der Lage sein, sie zu fangen. Wenn du sie angerufen hast, wird sie sich erschrocken umdrehen, und dann werden meine Krieger aus ihrem Hinterhalt im Gebüsch vorpreschen. Und dann werde ich den Schauplatz betreten.«
Mondschnecke saß erschlafft auf einem Stapel weicher Decken im hinteren Teil der Hütte und sah zu, wie Rotalge Teichläufers langes weißes Haar wusch. Das Haarwaschmittel aus Torfgränke lief ihm schaumig über die rosigen Schläfen und die Wangen. Fortwährend zuckte er zusammen und wand sich hin und her. Zu schwach, um sich allein zu behelfen, war er offensichtlich ärgerlich darüber, dass seine Schwester das erledigen musste. Vorher, am Nachmittag, hatte er gebadet und saß jetzt, mit Lendenschurz und Sandalen, auf einer Matte neben dem Herd. Sein Hochzeitsgewand, lang und dunkelblau, hing am Pfosten zur Rechten von Mondschnecke. Nachdem die weichen Wulstschnecken aus ihren Gehäusen herausgeholt, getrocknet und gekocht worden waren, ergaben sie einen wunderschönen gelben Farbstoff, der sich im Sonnenlicht zu einem leuchtenden Lila verfärbte. Die Farbe gefiel Teichläufer. Zwei- oder dreimal zehn kleine Wellhornschneckenhäuser verzierten das Vorderteil der Robe und bedeckten die Ärmel; sie klickten zusammen, wenn das Gewand in der kühlen Meerbrise hin- und herschwang. Die Meerfrau hatte eine dicke Decke aus blauschwarzen Wolken über Kernholz-Dorf gezogen. Noch regnete es nicht, aber das würde sicher kommen, bevor der Tag zu Ende war.
Die Hingabe an ihre Aufgabe war Rotalge am Gesicht abzulesen. Die Brauen waren tief herabgezogen, und die Zungenspitze ragte ihr seitlich aus dem Mund. Sie trug ein einfaches Gewand, verschmutzt, mit blasigem Seifenwasser befleckt, aber ihr langes schwarzes Haar glänzte und hing ihr sauber geflochten den Rücken hinunter. Sie kniete hinter ihrem Bruder und rieb ihm kräftig den Kopf.
Rings um sie lagen Holzschalen, ein Fischgrätenkamm, eine Bürste aus der harten Palmeninnenrinde, und eine große Kalebasse mit klarem Wasser.
»Lehn dich zurück, Teichläufer«, sagte Rotalge, »ich halte dich schon, aber jetzt muss ich dein Haar ausspülen.«
»Schon gut«, seufzte er und lehnte sich gegen ihren stützenden Arm.
Mit dem anderen Arm hielt sie ihm eine Holzschale unter den Kopf und goss das Wasser aus der Kalebasse langsam über sein seifiges Haar. Der Schaum strömte in die Schale und spritzte über ihr Bein. Teichläufer hatte die Augen geschlossen. Sein jugendliches Gesicht nahm einen heiter-gelassenen Ausdruck an, als ob er es genieße, dass das saubere Wasser ihm über die Kopfhaut
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