Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze
ertragen -«
»Das glaubt doch auch kein Mensch! Alle in meiner Familie wissen, dass es das Land der Morgenröte und das Dorf der Verwundeten Seelen gibt. Von denen sieht niemand sein Leben als gerade Linie zum Grab.«
Kupferkopf zeichnete Spiralen in den Sand. »Nun, ich hatte es so gesehen. Viele, viele Sommer lang.
Ich hatte geglaubt, die Menschen sterben einfach nach einem schweren Leben, und danach kommt nichts mehr.«
»Das ist doch Wahnsinn! Alle großen Seelentänzer waren schon im Jenseits. Wie ist es da möglich, nicht daran zu glauben?«
Kupferkopf zuckte die Achseln. »Also ich jedenfalls habe nicht daran geglaubt, weder an ein Leben nach dem Tod noch an die Sonnenmutter oder irgendein anderes geistiges Wesen. Und deswegen habe ich auch versucht, zehn Leben auf einmal zu leben und dieses Leben nach Kräften zu genießen, so viel wie möglich zu hassen, zu töten und zu retten.«
‹ Er lachte grimmig. »Das Einzige, woran ich glaubte diese Welt.«
Aber du hältst diese Welt für böse. Ich habe gehört, dass du das einmal gesagt hast.«
»Ja Die Welt ist voller Schmerz und Leid. Das habe ich immer geglaubt. Deshalb waren diese Jahre ohne die Sonnenmutter so schrecklich. Wenn die Welt das Einzige ist, woran du glaubst, dann ist dir jedoch unendliches Leid bestimmt. Ich war so von Sorgen bedrängt, dass ich kaum leben konnte. Ich fühlte mich wie tot. Und völlig hoffnungslos.«
Tauchvogel trank die letzten Tropfen der Brühe aus der Schale und stellte sie dann beiseite. Er schloss die Augen, um Kupferkopf nicht sehen zu müssen. »Und dann hast du von der strahlenden neuen Welt geträumt?« »Ja, vor zwei Sommern.«
»Dann sag mir doch bitte, was geschieht mit denen, die sich dir nicht anschließen? Die deinen Traum für Verblendung halten?«
Tauchvogel öffnete die Augen, als Kupferkopf sich erhob, herankam und sich mit gekreuzten Armen über ihn stellte. Einzelne Silberhaare umwehten seine Wangen. Seine Augen sahen gespenstisch aus, sie glitzerten - als wäre die dunkle Unredlichkeit aus seinen Seelen ausgelaufen wie schwarzes Wasser aus einem Brunnen.
Tauchvogel umklammerte die Hirschbeinahle von Muschelweiß mit der rechten Hand und warf einen Blick auf die Wachen. Sie waren völlig in ihr Glücksspiel vertieft und achteten nicht mehr auf ihn.
Triumphgebrüll und Flüche waren von dort zu hören. Der Rest der Dörfler hatte sich in die Hütten zurückgezogen, Feuer gemacht und angefangen, das Abendessen zu bereiten.
Ein Adrenalinstoß befeuerte Tauchvogels Adern. War die gebrochene Ahle lang genug, um eine Lunge zu durchstechen? Und wenn ja - könnte er dann in dem Aufruhr entkommen? In diesen Herbsttagen wurde es schnell dunkel. Wenn er nur bis zum Wald käme … Dort könnte er sich verstecken. Die Wunde im Rücken schmerzte zwar noch immer, aber die Schulterwunde fing an zu heilen, und er hatte wieder etwas von seiner früheren Kraft zurückgewonnen.
»Wer nicht an meinen Traum glaubt«, sagte Kupferkopf, »den wird der Sturmbläser zertreten, und seine Seelen werden den Winden der Vernichtung preisgegeben.«
»Der Sturmbläser wird ihre Seelen zur Strafe vernichten? Weil sie sich geweigert haben, dir zu folgen?« »O ja. Ich habe es gesehen.«
»Gesehen?« Tauchvogels Herz raste, ihm wurde schwindlig. »Wie meinst du das? Wie hast du sehen können, dass Seelen sterben?«
Kupferkopf hockte sich neben Tauchvogel und sah ihm starr in die Augen, nicht weiter als acht Handbreit entfernt. Seine Stimme klang geisterhaft. »Es war, als ob. Feuer erstickt würde, Tauchvogel.
Nacheinander gingen alle Lichter im Weltall aus, und Finsternis herrschte.« »Und was ist mit den Blitzvögeln?« »Oh, die tötete er auch. Der Sturmbläser verschlang alles Licht.« ' Sein Blick wurde noch gespenstischer und erinnerte Tauchvogel an die leeren Augen eines toten Tieres. Es war nichts Menschliches mehr darin. Gar nichts.
Eine Ewigkeit lang starrten sie sich an, dann zerfiel das vollkommene Gesicht von Kupferkopf, und er setzte sich auf dem Sand zurück. Er sagte: »Vergib mir, manchmal falle ich wieder in diesen Traum, wenn -«
Tauchvogel stach zu; von seinem Sitz schoss er vorwärts, die Ahle in der Hand wie ein Messer, und zielte auf Kupferkopfs Herz. Dieser keuchte, versuchte, den Stich mit einer Armbewegung abzulenken, und wich zur Seite aus. Tauchvogel landete mit dem Gesicht nach unten im Sand und raffte sich auf, gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Kupferkopf mit einem Satz auf die Ahle
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