Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze
strahlende neue Seele hat's mir verraten.« Hundszahn blinzelte den Jungen an, der noch bleicher schien als sonst. »Sie überstrahlte einen meiner Träume und polterte: Geh zum Ufer der Seekuh-Lagune, wenn du Teichläufer noch sprechen willst, bevor er wie eine Hickorynuss geröstet wird.« Hundszahn grinste. »Und das habe ich gemacht.«
Schote wechselte einen Blick mit Muschelweiß, und sie betrachteten beide Teichläufer. In dem tanzenden orangefarbenen Feuerschein kam es ihnen so vor, als würde ihm gleich übel werden. Es war typisch für Hundszahn, unerwartet aufzutauchen und ein Gespräch anzufangen, das einen vollkommen aus der Fassung brachte.
»Also gut«, sagte Schote und rieb sich lächelnd die Hände, »dann wollen wir mal essen.«
Aus dem Lebensmittelsack teilte er Gänsekeulen an Muschelweiß und Teichläufer aus und bot auch Hundszahn etwas an, der aber kopfschüttelnd ablehnte. Der alte Seelentänzer hatte saftiges Fleisch von seinem Fisch abgeschnitten und fing an zu essen. Teichläufer hob die Gänsekeule zum Mund, biss aber nicht hinein. Über die gebratene Haut hinweg sah er unverwandt auf Hundszahn. Hatte er keinen Hunger mehr? War er in eine Art von Trance gefallen? Muschelweiß hatte hingegen schon kräftig in ihre Gans hineingebissen, beobachtete Teichläufer aber genauso aufmerksam - was Schote nicht verstand. Der alte Mann war kauzig, aber ungefährlich, trotz der komischen Wirkung, die er auf seinen Schwiegersohn ausübte.
»Teichläufer«, fragte Schote, »was ist los? Du siehst aus, als hätten sich die Blitzvögel gerade vor deine Füße gestürzt.«
Der Jüngling machte den Mund auf, als wollte er etwas sagen, brachte aber keinen Ton heraus.
Schote beugte sich vor und stieß Teichläufer mit dem Ellbogen in den Bauch, worauf dieser ächzte.
Teichläufer raffte sich zusammen, als wäre er gerade aus einem bösen Alpträum erwacht. »Iss!« befahl Schote. »Deine Frau wird uns früh hochjagen, lange bevor die Sonnenmutter aufsteigt, und du wirst jedes bisschen Kraft brauchen.«
Teichläufer blickte hilflos auf Muschelweiß und biss gehorsam in seine Gänsekeule. Auch Schote tat sich gütlich, die Gans schmeckte so gut und saftig, dass er zufrieden aufseufzte.
»Woher habt ihr die Gans?« fragte Hundszahn; er wendete seinen Fisch und riss das Fleisch von der anderen Seite ab.
»Willst du damit sagen, dass Teichläufers neue Seele dir das nicht gesagt hat? Wie rücksichtslos.«
»Aber keineswegs«, entgegnete Hundszahn. »Geister verraten nur, was Menschen zum Überleben brauchen -und manchmal nicht einmal das. Sie sind auf ihre Weise gierig. Ist die Gans von eurem Hochzeitsschmaus übrig geblieben?«
»Ja. Das hättest du sehen sollen, Hundszahn. Der Kernholz-Clan hat fünf Gänse gebraten und viele zehnmalzehn Kärpflinge und Enten und Schildkröten. Da waren Dutzende von Körben randvoll mit Beeren, Nüssen und Obst. Es war köstlich.«
»Nun ja, Mondschnecke ist eine schlaue Frau«, sagte Hundszahn liebevoll. »Sie weiß, wie ein großer Tag für ihren Clan zu feiern ist.« Mit gekrümmtem Finger deutete er auf Muschelweiß. »Mit der großen Muschelweiß verwandt zu sein bringt dem Kernholz-Clan mehr Ansehen, als er sich jemals hätte träumen lassen.« Er aß einen großen Bissen Fisch. »War sicher ganz gut, dass Schwarzer Regen alles verspielt hat, was ihr der junge Händler geschenkt hat. Natürlich«, fügte er gedankenvoll hinzu, »war das nicht ganz in dessen Sinn. Ich bin sicher, dass er sich das Leben genommen hat, aber das hat natürlich kein Mensch gemerkt.«
»Wie meinst du das?« fragte Muschelweiß mit hochgezogenen Brauen. Der Feuerschein flackerte über ihren angewiderten Gesichtsausdruck. Sie aß die Gänsekeule auf und warf die Knochen ins Feuer, wo sie ein schwarzes Rauchwölkchen aufsteigen ließen. »Irgendjemand hat es sicher gemerkt.«
»Nicht unbedingt, mein liebes Kind. Teichläufer, du verstehst doch, was ich meine?« Er streckte die Hand aus, um den Jungen am Arm zu berühren, hielt aber inne, als Teichläufer erstarrte, als hätte ihn der Blitz getroffen. Hundszahn blinzelte und zog seine Hand zurück. »Also wohl doch nicht. Was ich meine, ist: Wenn ein Mann sich entschließt, in den Wald zu gehen, um sich in einem notdürftigen Versteck die Kehle durchzuschneiden, dann werden die Leute aus den nächstgelegenen Dörfern wohl kaum seine Leiche finden, jedenfalls viele Sommer lang nicht. Und vielleicht auch nie, wenn Wölfe und Coyoten ihn
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