Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze
zuerst entdecken.« Er stopfte sich den Mund voll und kaute geräuschvoll. »Also Teichläufer«, sagte er kauend, »erzähl uns von deinem Tod. Wie war das?«
»Tod?« stieß Schote hervor. »Wovon redest du? Sieh ihn dir an! Dafür, dass er der sensible Teichläufer ist, sieht er doch jetzt ganz gesund aus.«
Hundszahn flüsterte hörbar: »Heißt das, du hast deiner Frau und deinem Schwiegervater nicht erzählt, was du am Heiligen Teich erlebt hast? Du hättest wenigstens wiederholen können, was die Geister über sie gesagt haben. Sie -«
Muschelweiß erhob sich und sagte schroff: »Entschuldigt mich bitte. Wenn wir morgen früh aufstehen, können wir Windeck-Dorf bei Sonnenuntergang erreichen. Gute Nacht.« Sie nahm ihren Sack und marschierte in den Wald, wo sie ihre Decke auspackte und am Boden ausbreitete - nahe genug am Lagerfeuer, um es zu beobachten, und weit genug entfernt, um notfalls jemanden mit dem Speer zu erledigen.
Schote unterdrückte sein Lächeln.« Die Vorstellung von Geistern hat sie von jeher gestört. Sie -«
»Das stimmt«, warf Teichläufer ein und nickte heftig. »Ich habe ihr einmal gesagt, dass ich mit Geistern reden könnte, und da ist sie beinahe in Ohnmacht gefallen.«
»In Ohnmacht gefallen?« fragte Schote spöttisch. »Wahrscheinlicher ist, dass sie erwogen hat, dich umzubringen.«
»V-vielen Dank, dass du's mir gesagt hast.«
»Gern geschehen. Doch jetzt«, fügte er hinzu, »werde ich meiner Tochter folgen. Aber es war wirklich schön, dich wiederzusehen, Hundszahn. Und nun überlasse ich dir Teichläufer, da kannst du mit ihm sprechen, wie du's vorgehabt hast. Gute Nacht.«
»Gute Nacht, Schote«, sagte Hundszahn herzlich. »Schlaf gut. Wir werden heute Nacht hier sicher sein, das hat mir mein Traum gesagt.«
»Du wirst trotzdem nichts dagegen haben, wenn ich mit meinem Dolch schlafe.«
»Keineswegs.«
Schote nickte höflich, nahm seinen Sack und ging in den Wald zu Muschelweiß.
Teichläufer konnte sie miteinander flüstern hören; dann lachte Schote leise, und Teichläufer sah, wie er seine Decke ausbreitete. Er sah auf seine Gänsekeule herab und biss noch einmal halbherzig hinein.
Trotz des Wohlgeschmacks war ihm der Appetit vergangen.
»Also gut, Hundszahn«, sagte er schwach und warf den Rest seiner Keule den Tieren im Wald vor.
»Jetzt erzähle.«
Hundszahn fuhr auf seiner Decke herum und flüsterte: »Kein Grund, besorgt zu sein. Du kannst ruhig mit mir reden.« In seinen wässrigen alten Augen lag ein gespenstischer Glanz.
»Worüber?«
Blitzschnell packte Hundszahn Teichläufers rechtes Handgelenk und hielt es in mörderischem Griff.
Teichläufer stieß einen Schrei aus. »Du hast doch keine Angst vor mir, oder?« fragte Hundszahn.
»Nein.« Teichläufer riss ärgerlich sein Handgelenk aus der Umklammerung. »Wie meinst du das?«
Hundszahn beugte sich näher zu ihm; es blitzte in seinen verwirrenden braunen Augen, und links von dessen feuerbeschienenen Gesicht nahm Teichläufer die Bewegung eines schwarzen Flecks im Wald wahr. Er sah, wie Muschelweiß sich unter ihrer Decke aufrichtete und sie über die Schultern zog. Er wusste, dass sie es war, denn er hatte sich all die Flecken der sie umgebenden Bäume gemerkt, um sie später finden zu können. Nach diesem langen, anstrengenden Tag sollte sie schlafen. Was machte sie da? Wachte sie über ihn? Ja, das musste es sein, das wäre ganz typisch für sie. Er lächelte ganz liebevoll.
»Du liebst sie sehr, nicht wahr?« fragte Hundszahn.
»O ja, sie bedeutet mir alles.« Und das entsprach der Wahrheit, er würde alles für sie tun.
Eine launenhafte Brise fuhr über die Lichtung, bedrängte manchmal das Feuer und erlaubte den Flammen hie und da, lange Finger zu den schützenden Eichenästen hochzurecken. Teichläufer betrachtete die Flammen in der Hoffnung, ihr Tanz würde sein Unbehagen mildern.
»Sehr gut«, sagte Hundszahn. »Denn sie ist äußerst unglücklich, und sie braucht all deine Liebe, um darüber hinwegzukommen.«
»Ich weiß.« Dankbar für das neue Gesprächsthema stieß Teichläufer den Atem aus, den er unwillkürlich angehalten hatte. Einzelne weiße Haare umwehten sein Gesicht. »Ich habe mich sehr bemüht, dafür zu sorgen, dass sie sich besser fühlt, Hundszahn, aber ich habe oft das Gefühl, sie nicht erreichen zu können.«
»Dein Gefühl trügt dich nicht: Du kannst sie nicht erreichen.«
»Aber ich bin ihr Mann, Hundszahn. Sie braucht mich. Ich muss ihr Vertrauen
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