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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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feststellen konnte. Dieser trostlose Raum blieb kalt, bei Tag und bei Nacht. Ihr Herz war voller Sehnsucht. Das erste neue Gras, die ersten wilden Zwiebeln mußten jetzt herausgekommen sein. Noch ein paar warme Nächte, dann würden sie sprießen. Was würde sie nicht geben für eine dicke Truthahnsuppe mit Zwiebeln und Klößen von blauem Mais!
    Ihr geliebter Sohn hatte angeordnet, daß sie täglich außer einer einzigen Schale mit wäßrigem Maisschleim nichts zu essen bekommen solle. Er war jetzt sehr unappetitlich geworden. Mokassins stampften übers Dach, und die Abdeckung glitt zur Seite. Nachtsonne schaute auf. Die scharlachroten Feuer des Sonnenuntergangs blitzten durch die ziehenden Wolken und stachen ihr in die Augen wie Dolche aus Eis. Sie machte sie schnell zu, aber dieser kurze Augenschein ließ sie verzweifeln. Noch ein paar Tage, und sie wäre bereit zu töten, um hier herauszukommen, selbst wenn es den eigenen Tod zur Folge hätte.
    Allmählich erst hatte sie die Wahrheit erkannt. Ihr Sohn hatte die Absicht, sie zu töten. Er ist jetzt die Gesegnete Sonne, und er hat die Macht, es zu tun.
    Sie betete zu den Thlatsinas um nur ein paar Augenblicke der Freiheit, so daß sie den Erstbesten, der vorbeikam, packen und heiraten könnte - um Schlangenhaupt von seinem Sockel zu stoßen. Sie schüttelte den Kopf. Zu spät. Viel zu spät jetzt.
    Das Ende der Leiter bumste vor ihr auf den Boden. Kleine Luftwirbel setzten winzige Staubteilchen im rötlichen Schein in Bewegung, und sie verengte die Augen zu Schlitzen.
    Eisenholz kletterte hinab.
    Nachtsonne hatte seit drei Tagen nur Sklaven gesehen. Sie strich ihr langes silberdurchzogenes Haar aus ihrem dreieckigen Gesicht.
    »Was ist geschehen?« fragte sie und wunderte sich, daß ihre Stimme so heiser klang. »Hat Schlangenhaupt über mein Schicksal entschieden?«
    »Nein«, antwortete Eisenholz sanft. »Es tut mir leid.« Er kam von der Leiter, streifte ein kleines Bündel von der Schulter ab und kniete sich vor Nachtsonne nieder. Aus dem Bündel holte er eine kleine Hirschledertasche und einen Krug. Seine golden gebräunte Haut wurde rosig im Abendlicht. Er hatte sein langes ergrauendes Haar mit einer Baumwollschnur zusammengebunden und trug ein sauberes rotes Hemd. Er roch nach Seife, er war wohl gerade vom Baden gekommen. Aber Schweißtropfen perlten auf seiner flachen Nase und in den tiefen Runzeln der Stirn. Nachtsonne schaute düster auf die gespannten Muskeln, die sich unter dem Hemd wölbten. »Was ist los? Warum bist du hier?«
    »Du hast heute sicher den Lärm auf der Plaza gehört, und ich dachte mir, daß du dir vielleicht Sorgen machst. Spannerraupe ist von seinem Überfall auf Lanzenblattdorf zurückgekommen.« Eine schreckerfüllte Pause entstand. Eisenholz' Nasenwände bewegten sich heftig hin und her. Das Blut klopfte ihr in den Ohren. »Und?«
    »Ich habe gerade mit ihm gesprochen.« Eisenholz atmete tief ein. »Er hat Palmlilie und dessen Sohn getötet.« »Und unsere Tochter? Maisfaser?«
    Eisenholz nahm ein. Stück getrockneten Puterfleisches aus der Tasche und reichte es ihr. Sie aß es gierig und genoß den Räuchergeruch.
    »Ich weiß es wirklich nicht. Spannerraupe sagt, er habe keine Zeugen am Leben gelassen, so wie es ihm befohlen worden war. Ich…« Die Hand mit der Fleischtasche zitterte. Er legte sich die Tasche in den Schoß. »Ich kann nicht glauben, daß sie tot ist, aber ich werde Gewißheit haben.« »Was willst du tun?«
    »Nach Lanzenblattdorf gehen, sobald es sich hier beruhigt hat. Da ist vielleicht einer dem Überfall entkommen. Vielleicht finde ich -« »Weißt du denn, wie sie aussieht? Hast du sie jemals gesehn?« Er schüttelte den Kopf. »Aber Palmlilie hatte Verwandte in benachbarten Dörfern. Die wissen sicher etwas.«
    Als hätte er plötzlich den Appetit verloren, setzte er die Fleischtasche ab, sank auf den Boden und glitt neben sie, an die Wand gelehnt. Er roch sauber und irgendwie schwach nach Blumen.
    Lange betrachtete er den Boden, bevor er den Mund aufmachte. Aber er sagte dann doch nichts, drehte sich zu ihr und sah sie an. Nachtsonne wurde es ganz kalt.
    »Was ist?« Der Argwohn war wie eine schwarze Blase in ihrer Brust, die sich ausdehnte. »Sag mir alles.«
    Eisenholz legte ihr eine Hand zärtlich aufs Haar und sah ihr besorgt ins Gesicht. »Nachtsonne … Wolkenspiel ist tot.«
    Sie blieb völlig regungslos. Ein azurner Schein überzog den Raum, als das Zwielicht den Canyon einhüllte, und zum ersten

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