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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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ob du dein Leben einsetzen willst. Für die Liebe. Für dein Volk.« Schwarzer Tafelberg hatte eine Pause gemacht und dann hinzugefügt: »Du kannst nein sagen, und kein Makel wird dich treffen.«
    »Aber ich will doch!« hatte Kreuzdorn geantwortet, aus vollem Herzen und aus ganzer Seele. »Ja, das will ich.«
    Er zwang sich, wieder einzuatmen. Sein Magen hatte sich zusammengezogen. Und was ist, wenn ich nicht stark genug bin? Was ist, wenn ich nicht in die Unterwelten hinabfahren und heil zurückkehren kann?
    Düster schaute er auf die zwei toten, auf einen Stock gespießten Feldmäuse neben ihm. Schwarzer Tafelberg hatte ihn angewiesen, die Mäuse dem maskierten Gott, der käme, um ihn in die Unterwelten hinabzuzerren, als Tribut anzubieten. Sollte der Gott ablehnen, dann, so hieß es, erwartete Kreuzdorn der Tod.
    Vielleicht hätte ich besser einen Hirsch erlegt - das schiene mir doch ein besserer Tribut für einen Gott als zwei schäbige
    Schritte stapften über die schneebedeckte Plaza.
    Er schnellte herum und sah auf den Türvorhang, der leicht im kalten Wind flatterte. Die Schritte verhielten draußen.
    Kreuzdorn knirschte so heftig mit den Zähnen, daß sein Kiefer ihm weh tat.
    Ein Getöse von Stimmen, näher kommend, lauter … und auf einmal war das ganze Haus von schrillem Geheul umtost, als die Tänzer anfingen, wie mit Messern an den Außenwänden zu kratzen. Es war Kreuzdorn, als zerspränge ihm das Herz in der Brust. Heilige Götter, was geht hier vor? Das Ungeheuer Thlatsina warf den Türvorhang zurück und trat ein. Schreckensbleich, mit offenem Mund, starrte Kreuzdorn sie an.
    Sie war riesig. Ein rot-weißer Mund beherrschte die untere Hälfte ihrer pechschwarzen Maske, und ein fettiger grauer Bart hing ihr bis zur Taille. Langes verfilztes schwarzes Haar mit Baumwollbüscheln übersät, fiel ihr über die drohend blickenden gelben Augen. Ihr Mund war wie zu einem immerwährenden Pfiff gespitzt. Sein ganzes Leben lang hatte man ihm erzählt, wenn er nicht auf die Ältesten hörte, würde das Ungeheuer Thlatsina ihm auflauern und ihm das Gehirn durch die Ohren aussaugen. In der linken Hand hielt sie einen Krummstab, um ihre Opfer zu fangen, in der rechten ein großes Obsidian-Messer, um diejenigen zu verstümmeln, die sich weigerten, ihr zu gehorchen. »Hier!« brüllte Kreuzdorn und streckte ihr die zwei toten Mäuse entgegen. »Die sind für dich!« Das Ungeheuer schlug sie ihm aus der Hand, und Kreuzdorn sah die Mäuse durch den Raum fliegen, gegen die Wand prallen und mit einem dumpfen Laut zu Boden fallen.
    »Steh auf!« schrie das Ungeheuer und schlug ihm mit dem Krummstab heftig auf die Schulter. Kreuzdorn sprang auf.
    Das Ungeheuer deutete auf die Tür. »Hinaus!«
    Er kroch unter dem Türvorhang hindurch, in das grelle Licht des Nachmittags. Das Zimmer seiner Mutter lag ebenerdig, auf der Ostseite des Häuserkomplexes. Über die Schulter sah er die Zwillingssäulen aus gerundetem Sandstein, die Großen Krieger, die sich drohend über dem Kliff erhoben.
    Hier schnitt der Fluß der Seelen durch den Sandstein, und die Leute des Rechten Wegs hatten das fruchtbare Schwemmland für den Anbau von Mais, Bohnen und Kürbis vorzüglich geeignet gefunden. Im Lauf der Jahre war aus dem Dorf mit einzelnen kleinen rechteckigen Häusern ein dreigeschossiger Riesenbau entstanden, der sich unter der steilen Nordwand des Kliffs erhob, überwacht von den uralten Gestalten der Großen Krieger.
    In der vergangenen Nacht hatte es etwas geschneit, und über der Siedlung lag eine glitzernde weiße Decke wie aus zermahlenen Gips. Das hohe Kliff ließ die grauen, lehmverputzten Häuser klein erscheinen. Zu seiner Rechten, auf der anderen Seite des Flusses der Seelen und weiter südlich, wuchsen Maisfelder im Schwemmland. Dort, zwei Speerwürfe vom Dorf entfernt, schimmerte der Fluß silbern in der Sonne. Kreuzdorn konnte sich vorstellen, wie die dunklen Wasser dort gegen die Felsen schwappten, die sie auf ihrem Weg nach Süden aufhalten wollten. Die Leute saßen auf den flachen Dächern, bequem in ihre Decken eingewickelt, und lächelten. Ein gutes Zeichen. Seine Mutter stand neben der Leiter, die in die große Kiva hinabführte. Sie sah strahlend aus in ihrem roten Kleid mit den schwarzen und gelben Dreiecken am Saum. Die Flaumfedern eines Adlers flatterten auf ihrem Scheitel. Er mußte auf den Rand des Kivarings treten. Die Kammer ragte nur zwei Handbreit über den Erdboden, und zwanzigmal eine Handbreit war sie

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