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Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels

Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels

Titel: Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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Grasmatte, wie du ihn nennst?« fragte Neuntöter, der die Wachsamkeit in Jaguars Augen bemerkte.
    »Er verdient gleichfalls deine Aufmerksamkeit, Häuptling. Er ist schlau, aber auch unbeherrscht. Hätte er jemals gelernt, seinen listigen Verstand mit Geduld zu verbinden, dann wäre er tatsächlich ein sehr bedrohlicher Gegner.«
    »Er war hier, weißt du.« Neuntöter verschränkte die Arme vor der Brust und versuchte, sich an alle Einzelheiten zu erinnern. Tief in seiner Seele nagte der Zweifel. Irgendetwas fehlte, ein entscheidender kleiner Baustein, mit dessen Hilfe sie die Zusammenhänge würden erkennen können.
    »Und er war nachts draußen«, ergänzte Rosenknospe. »Meine Tochter Weißer Otter sah ihn in der Abenddämmerung durch den Palisadeneinlass kommen. Seine Leggings waren nass, sagte sie, als wäre er draußen in den Feldern gewesen.«
    »Weißer Otter!«, rief Neuntöter. »Komm her, erzähl uns, was du gesehen hast.«
    Weißer Otter war die älteste Tochter von Rosenknospe und ihm das liebste ihrer fünf Kinder. Sie war gertenschlank und hatte glänzendes, schwarzes Haar und ein schmales Gesicht, in dem die braunen Augen besonders groß wirkten. Noch ein paar Blätterblüten, dann würde sie eine Schönheit sein und ihrer Mutter das Herz brechen, wenn sie sich verheiratete.
    »Es ist wahr, Onkel.« Weißer Otter schluckte, als sie sich plötzlich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit befand; die Erwachsenen sahen sie gebannt an. »Mutter hatte mich nach Wasser für die Morgensuppe geschickt, denn wir mussten ja für die Weroansqua, die all die vielen Gäste bewirtete, etwas beisteuern. Mit dem großen Tonkrug da drüben ging ich also zur Palisade. Da trat er durch den Einlass, blickte sich um und ging direkt auf das Großhaus der Weroansqua zu.«
    »Hast du sonst noch jemanden gesehen?«, fragte Neuntöter. »Niemand war bei ihm? Niemand ist ihm gefolgt?«
    Weißer Otter schüttelte den Kopf. »Niemand. Es waren zwar schon einige Leute auf den Beinen, denn es war früher Morgen. Ich hab mir weiter nichts dabei gedacht. Er war vielleicht draußen, um Wasser zu lassen. Merkwürdig waren nur die nassen Leggings. Und auch die wären mir nicht aufgefallen, wenn es nicht Kupferdonner gewesen wäre.«
    »Danke dir.« Neuntöter klopfte ihr anerkennend auf die Schulter. »Wenn dir noch etwas einfällt, dann sagst du mir sofort Bescheid. Klar?«
    »Ja, Onkel.« Diesmal lächelte sie ihn nicht an wie sonst.
    »Da war also unser alter Freund Grasmatte schon am frühen Morgen auf und unterwegs.« Jaguar starrte mit zusammengekniffenen Augen ins Feuer. »Wenn das ein Zufall ist!«
    »Du weißt, der Große Tayac besitzt eine Keule mit einem Stein und einem Kupferdorn direkt darunter.«
    »Ja, das weiß ich«, erwiderte Jaguar sanft. »Und ich frage mich, ob dieser Stein und der Dorn in die Löcher in Rote Schlinges Schädel passen würden.«

Sieben
    Weidenstumpf arbeitete gerade an einem Muschelrechen, als Jaguar und Sonnenmuschel ihn am folgenden Morgen endlich ausfindig machten. Der junge Jäger saß auf einem umgekippten Kanu in der Nähe des Anlegesteges. Er hatte sich über seine Arbeit gebeugt; das Wasser schwappte ihm um die Füße. Eine tiefe Falte grub sich in seine Stirn, als er einen hölzernen Griffzapfen an dem Rechen befestigte. Hinter ihm lag eine Rolle mit Flachsschnur und ein Vorrat an spitzen Muscheln, mit denen er das Holz bearbeiten konnte.
    Es war ein bewölkter Tag, und der Nordwind trieb unregelmäßige Wellen mit weißen Schaumkronen in den Flussarm. Trotz des kühlen Wetters trug Weidenstumpf nur seinen Lendenschurz und einen Federumhang. Eine dicke Fettschicht schützte seine nackte Haut vor der Kälte. Das Haar hatte er zu einem Knoten gebunden und mit einer feinen Haarnadel aus dem Sprungbein eines Hirschen an der rechten Seite seines Kopfes festgesteckt.
    Der Rechen bestand aus einem zweimal mannshohen dünnen Stock, der aus einem jungen Baum herausgeschnitten worden war. Fingerdicke Zweige, die etwa so lang waren wie der Arm eines Mannes, waren in Form eines Fächers am unteren Ende des Stockes angebracht und mit einem Querriegel versteift worden. Mit diesem Gerät ließen sich Muscheln und Austern vom schlammigen Boden des Flusses kratzen und ins Kanu befördern.
    »Ah, auf Muscheljagd, wie man sieht«, bemerkte Jaguar.
    Der junge Jäger sah kaum auf, nickte, und erst dann wurde ihm bewusst, wer ihn angesprochen hatte.
    Aufgeschreckt murmelte er: »Ich … eh, ja. Ich brauche eine

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