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Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels

Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels

Titel: Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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gewinnen kann. Du kennst die Sorte.«
    »Ältester«, sagte Sonnenmuschel und schob die Hände unter die Arme, als wäre ihr plötzlich kalt.
    »Weidensrumpf erzählte immer schon gern Lügengeschichten. Schon als Junge. Dinge, die niemand glauben konnte. Über einen ungeheuer riesigen Fisch, den er gefangen hätte - aber niemand sah den Fisch. Oder über einen Hirsch, der über hohe Bäume sprang. Oder er sprach von fliegenden Drachen.
    Aber wenn einer von uns ihm nicht glaubte und es sagte, dann zettelte er eine Schlägerei an, um seine Geschichte auf diese Art zu beweisen.«
    Jaguar starrte auf die Reste in seiner Pfeife und wandte sich dann an Neuntöter. »Nicht gerade der verlässlichste Zeuge, wenn es um den Fund der Leiche geht. Aber glaubst du, er hätte mich in diesem Fall angelogen? Du sagtest, du seist geradewegs hinaufgelaufen. Wie spät war es da?«
    Neuntöter seufzte. »So gegen Mittag. Es hat ja eine Weile gedauert, bis feststand, dass Rote Schlinge vermisst wurde. Wir organisierten einen Suchtrupp und wurden gewarnt, dass Amselflügel sich näherte. Wir fingen die Angreifer ab, und kurz darauf meldete Weidenstumpf bereits, dass er Rote Schlinge gefunden hätte.«
    »Du hast Rote Schlinge gesehen.« Jaguar zuckte zusammen und veränderte seine Haltung, als ob ihn die Knochen schmerzten. »Wie lange, glaubst du, war sie da schon tot?«
    Neuntöter zuckte die Achseln. »Ich würde sagen, sie starb kurz nach Sonnenuntergang.«
    Jaguar runzelte die Stirn. »Das passt zu dem, was sowohl Wilder Fuchs als auch Weidenstumpf berichteten.«
    »Richtig«, stimmte Neuntöter zu. »Wir wissen nur nicht, ob sie die Wahrheit sagen?«
    Das weiche Licht der Dämmerung beleuchtete den Wald jenseits der Palisade von Flache Perle.
    Struppige Hunde schlichen umher und schnupperten an Tonscherben. Sonnenmuschel saß vor Rosenknospes Haus, die Keule neben sich, und betrachtete die Nebelfetzen, die über das Wasser zogen. Einige Sternenleute glitzerten noch am Himmel, aber die meisten hatten die funkelnden Augen bereits geschlossen, um zu schlafen.
    Sonnenmuschel gähnte und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie war unruhig; sie hatte Jaguar schnarchend in seinen Decken zurückgelassen, um hier draußen den Morgen zu begrüßen. Der kalte Wind bewegte die roten und blauen Federn ihres Umhangs und wehte durch ihr Haar.
    Von hier aus konnte sie ganz Flache Perle überblicken. Vor einem Zeitfinger war ein alter Mann um die Ecke eines Langhauses gestolpert und hatte Wasser abgeschlagen. Dann hatten sich Kupferdonner und zwei seiner Krieger mit ihren Bogen aus dem Dorf geschlichen. Wahrscheinlich waren sie auf der Jagd nach ihrem Frühstück.
    Sonnenmuschel legte den Kopf zurück und beobachtete den Nebel, der sich über das Schilfdach des Langhauses wälzte. Sie hatte schlecht geschlafen. Die ganze Nacht war sie von Bildern mit dem flehentlichen Gesicht von Wilder Fuchs verfolgt worden. So bemitleidenswert hatte sie ihn noch nie gesehen. An wen könnte er sich jetzt noch wenden? Rote Schlinge war tot und sie selbst nicht zur Stelle. Wer, in aller Welt, konnte ihn trösten? Zum ersten Mal war Wilder Fuchs allein. Und er saß in der schlimmsten Klemme seines Lebens.
    Immer wieder ließ ihre Seele sie die wonnigen Tage ihrer gemeinsamen Kindheit erleben, und sie sehnte sich danach, zu ihm zu gehen. Einfach … um zu reden. Sie brauchte es, sie musste mit ihm reden.
    Als Kind war sie ihm wie ein glückliches Hündchen überallhin gefolgt und hatte ihn oft vor seinen Freunden in Verlegenheit gebracht, denn sie glaubten, ein Mädchen entwürdige die bevorstehenden Mannbarkeitsrituale. Sonnenmuschel lächelte in sich hinein. Doch trotz der Schmähungen seiner Freunde hatte Wilder Fuchs sie niemals angeschrien oder fortgejagt. Allerdings war er selbst bei den anderen Kindern auch nicht sehr beliebt. Gelegentlich hatte er sie übersehen, sich aber später, wenn sie allein waren, dafür entschuldigt und versprochen, es wieder gutzumachen. Diese Versprechen hatte er immer gehalten. Manchmal hatte sie morgens beim Aufwachen kleine Schätze gefunden: Blumen, schöne Muschelschalen, bunt gefärbte Herbstblätter, was immer ihr Freude machte; sie waren an das Fußende ihres Lagers geschoben worden, so weit, wie seine Arme eben reichten, denn das Haus durfte er nicht betreten, es wäre unhöflich gewesen.
    In den vergangenen zwei Blätterblüten war ihre Beziehung schwieriger geworden. Nachdem Wilder Fuchs zum Mann geworden war, wuchs der

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