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Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels

Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels

Titel: Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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entzünden, kam der Ruf.
    Sonnenmuschel hatte es geahnt. Sie hob den Kopf, als zwei ihrer Vettern über den Platz auf sie zukamen. Sie spürte ein nervöses Flattern in der Magengegend, stand aber nicht von ihrem Lager zwischen Neuntöter und Jaguar auf. Sie wusste, was Roter Vogel und Weißer Flügel wollten; sie dienten ihrem Onkel Sägender Zahn oft als Boten. Als sie neben ihr standen, nahm Sonnenmuschel all ihren Mut zusammen und blickte ihnen gerade in die Augen. Als Zwillinge hatten sie sieben und zehn Blätterblüten gesehen. Sie trugen Hirschfellumhänge über den breiten Schultern und hatten die Haare zu Knoten geflochten, die auf der linken Schädelhälfte festgesteckt waren. Beide hatten gelbliche Augen, lange Hakennasen und volle Lippen. Als Roter Vogel grinste, zwang Sonnenmuschel sich, das ängstliche Zittern zu unterdrücken.
    »Man verlangt nach dir, Sonnenmuschel«, sagte Roter Vogel.
    »Ich wusste, dass ihr früher oder später kommen würdet, Vettern. Ich will nur …«
    »Wer begehrt, Sonnenmuschel zu sehen?«, fragte Jaguar und wandte sich von Neuntöter ab. Er musterte die Zwillinge mit zusammengekniffenen Augen.
    Weißer Flügel sagte kalt: »Ihr Onkel, Sägender Zahn. Er wünscht, mit ihr über ihre Taten zu sprechen … nämlich, sich an dich zu binden, Zauberer.«
    Jaguar erhob sich, um sie zu begleiten, aber Sonnenmuschel hielt ihn zurück. »Nein, bitte nicht. Ich gehe allein. Lass nur. Ich kehre so bald wie möglich zurück.«
    Jaguar legte sich wieder hin, forschte aber mit seinen trüben alten Augen in ihrem Gesicht. »Wenn du mich brauchst, brauchst du nur nach mir zu rufen.«
    Sie nickte. »Ich weiß, Ältester.« Dann stand sie auf.
    Die Vettern führten sie stumm über den Platz zum kleinen Schilfhaus ihrer Mutter. Sie ging erhobenen Hauptes, den Blick fest auf die breiten Schultern der Vettern gerichtet. Sie hatte keine Lust, in die Gesichter der Leute zu sehen, die sich auf dem Platz drängten. Sie nahm aus den Augenwinkeln wahr, wie sie vor ihr zurückwichen und auf sie deuteten, hinter vorgehaltener Hand flüsternd, und sie wusste, was sie sagten. Immerhin hatte sie ihre Familie entehrt, indem sie ihre Liebe zu Wilder Fuchs bekannt gegeben hatte, und dann war sie an der Seite des gefürchtetsten Mannes zurückgekehrt. Was hatte sie erwartet?
    Dass man sie mit offenen Armen willkommen hieß?
    Ihr Blick glitt zu den Häusern. Das Licht der Sterne schimmerte auf den Schilfdächern und überzog die Palisaden mit weißer Glasur. Wolken trieben mit mattsilbernen Rändern über den Himmel.
    Sonnenmuschel verlangsamte den Schritt vor dem Haus der Mutter und ließ die Vettern vorangehen; sie hatte Mühe, den überwältigenden Drang, sich zu erbrechen, zu unterdrücken. »Nimm dich zusammen«, flüsterte sie vor sich hin. »Sie dürfen dich so nicht sehen.«
    Ihr altes, geordnetes Leben war zerbrochen und mit ihm alles, was ihr heilig gewesen war. Weder bei ihrer Familie noch bei ihrem Clan noch bei Wilder Fuchs konnte sie Zuflucht finden. Krieger, die einst mit ihr befreundet waren, schlichen durch die Wälder und lauerten auf eine Gelegenheit, sie und jeden, den sie kannte, zu meucheln. Das Einzige, was ihr geblieben war, das Einzige, dessen sie sicher sein konnte, das war … sie selbst.
    Sonnenmuschel biss die Zähne zusammen, als Roter Vogel und Weißer Flügel den Vorhang vor dem Eingang zum Haus zurückzogen und verkündeten: »Hier ist deine Nichte Sonnenmuschel.«
    Sonnenmuschel wartete draußen vor der Feuergrube. War es wirklich nur vier Tage her, als sie dort gesessen und ihrer Mutter und ihrer Tante gelauscht hatte? Es schien ihr eine Ewigkeit her zu sein.
    Onkel Sägender Zahn, beleibt und groß, trat geduckt durch den Einlass; Sonnenmuschels Mutter und ihre Tante Faserblatt, das Haupt des Clans, folgten ihm. Die Ältesten warfen Matten um das Feuer herum und setzten sich; niemand blickte Sonnenmuschel an.
    Sägender Zahn warf das lange weiße Haar zurück. Er war der älteste Bruder ihrer Mutter und hatte dreimal zehn und neun Blätterblüten gesehen. Tiefe Falten durchfurchten sein Gesicht, das von einer flachen Nase bestimmt wurde. Er sagte: »Roter Vogel und Weißer Flügel, ihr könnt gehen.«
    Die Vettern drehten sich um und trotteten zu ihrem eigenen Langhaus, das nur zwanzig Schritt entfernt an den östlichen Palisaden stand.
    Sonnenmuschel schlang unter ihrem Umhang die Arme um ihren Oberkörper. Die Leute auf dem Platz blieben in respektvollem Abstand stehen, aber

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