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Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Titel: Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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fänden zwar ihre Familien, doch wenn die ihre Rufe nicht hören konnten, trieb das diese armen Geister oftmals in den Wahnsinn. Nachdem sie viele Monde lang die Namen ihrer Ehemänner oder Mütter gerufen hatten, ohne erhört zu werden, begannen sie in ihrer Verzweiflung häufig Unheil zu stiften oder Katastrophen auszulösen, um auf sich aufmerksam zu machen, und stürzten dadurch nicht selten genau jene Menschen ins Unglück, die sie am meisten liebten.
    »Polterer, hast du Angst?«, fragte Zaunkönig, während sie mit der Spitze ihres Mokassins in einem Pfotenabdruck des Pumas scharrte.
    Der Junge starrte auf seine Handschuhe. »Ich möchte nach Hause, Zaunkönig. Nach Hause in mein Dorf, und dort unter meine Decken kriechen und schlafen, bis meine Mutter mich zum Abendessen weckt.«
    Zaunkönig nickte stumm.
    Manchmal träumte sie, dass sie gerade aufgewacht war und ihre Mutter im Langhaus herumwirtschaften und mit ihrem Vater und ihrem Bruder flüstern hörte. Der süße Duft des Morgenbreis wehte ihr um die Nase. Gauner lag auf ihren Füßen und wärmte ihre Zehen … und dann hielt sie den Atem an und blieb ganz still liegen, um den schönen Traum nicht zu verscheuchen. Sie legte Polterer eine Hand auf die Schulter. »Hör auf, dir den Kopf zu zermartern, Polterer, das bringt nichts ein. Sag mal, bist du auch so durstig wie ich?«
    »Ja.«
    Zaunkönig setzte sich hin und schwang die Beine über eine Felskante. »Komm, setz dich neben mich, Polterer.«
    Der Junge ließ sich ebenfalls nieder, doch sein Blick blieb am Rand des Horizonts haften. »Es tut mir leid, Zaunkönig. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte.«
    Der Morgen graute, und der Himmel glänzte wie ein polierter Amethyst.
    Zaunkönig knotete den Wasserbeutel von ihrem Gürtel, schnürte ihn auf und nahm einen langen Schluck, ehe sie ihn an Polterer weiterreichte. Der balancierten den Ledersack zwischen den dicken Fellhandschuhen und trank gierig.
    »Glaubst du, dass dein Geisterhelfer dich absichtlich täuscht? Um dir eine Lehre zu erteilen? Ich habe gehört, dass einem Träumer so etwas manchmal passiert.«
    Polterer legte den Wasserbeutel auf seinen Schoß und betrachtete die kunstvoll geflüchteten Lederriemen. »Meine Mutter pflegte immer zu sagen, dass ›ein Mensch, der einen Geisterhelfer findet, niemals in Frieden leben, und ein Mensch, der seinen Geisterhelfer verliert, niemals ein Ziel haben wird'. Den zweiten Teil verstehe ich nicht richtig, den ersten aber umso besser. Meine Seelen sind heute so in sich verknotet wie ein Knäuel aus Waldreben, mit dem die Kinder Ball spielen. Ich glaube nicht, dass mein Helfer mich täuscht, aber… es könnte trotzdem so sein.«
    »Deine Träume müssen sich nicht immer bewahrheiten, Polterer. So denke ich jedenfalls.« Sein Blick haftete starr an den grauen Felsbrocken, die sich weit unter ihnen in der Schlucht türmten. »Was ist denn, Polterer?«
    »Ich habe mich schon einmal getäuscht«, flüsterte er und verzog das Gesicht, als kämpfe er gegen Tränen an.
    »Wann denn?«
    »An dem Tag der Schlacht. Da hatte ich eine Vision.« Er schluckte angestrengt. »Ich - ich habe den Dorfältesten erklärt, dass man uns nicht angreifen wird. Dass dem Buntfelsendorf keinerlei Gefahr drohe.«
    Zaunkönig griff nach dem Wasserbeutel und nahm noch zwei Schlucke. »Hast du deshalb Springender Dachs nicht verflucht, als du ihn zum ersten Mal sahst?«
    »Nein, ich… etwas geschieht mit mir, wenn ich richtig Angst habe. Dann…dann kann ich nicht denken oder mich bewegen. Ich kann nicht einmal schreien. Mein Körper fühlt sich dann an wie ein Holzklotz.«
    Seine Wangen hatten sich vor Scham gerötet, er konnte die Hände nicht still halten, klopfte Staub von seinem Umhang und wischte den Sand über die Felskante.
    »Du trägst daran keine Schuld, Polterer. Dein Geisterhelfer hat dir gesagt, dass dem Buntfelsendorf keine Gefahr drohe. Wie hättest du es besser wissen sollen?«
    Polterer wischte sich mit den Handschuhen die Nase ab. »Er war nicht mein Geisterhelfer, Zaunkönig, aber ein sehr mächtiger Geist.«
    Manchen bösen Geistern wurde nachgesagt, dass sie Schamanen mitunter absichtlich täuschten, aber diese Geister traten immer in bekannten Gestalten auf. »Ist dir dieser Geist als alte Frau erschienen, mit einem langen, gebogenen Wanderstecken?«
    »Nein. Es war nicht Fallende Frau.«
    »Ein Wolf mit den Armen und Beinen eines Menschen?«
    »Nein, Himmelshalter würde ich sofort erkennen, Zaunkönig.

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