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Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Titel: Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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sie schon immer. Ich weiß noch, damals, nach dem …«
    An der großen Feuerstelle auf dem leeren Dorfplatz war kein Stäubchen Asche mehr zu sehen. Die hatte der Sturm zwischen den Begrenzungssteinen hindurch geweht, wo sie zackenförmige Ornamente auf dem Boden hinterlassen hatte. Zaunkönig rannte an der Feuerstelle vorbei in Richtung des nördlichen Palisadentors. Lost Hill erhob sich am Fuß des Pfades. Solange sie den Hügel nicht betrat, würde sie keine Vorschriften verletzen. Sie blickte hinauf zu der tief stehenden Sonne, die ihre Strahlen über die Wipfel der Bäume warf. Ihr blieben mindestens noch zwei Hand Zeit bis zum Einbruch der Dämmerung, und die Geister wussten, dass sie im Dorf niemand vermissen würde. Zumindest so lange nicht, bis es Zeit wurde, Blauer Rabe das Nachtmahl zu bringen. Aber sie würde schon vorher zurück sein.
    Der Weg war übersät mit abgebrochenen Zweigen und Fichtenzapfen, über die Zaunkönig in hohem Bogen hinweg sprang.
    An der Stelle, wo sich der Pfad um den gestürzten Ahornbaum wand, blieb sie stehen, um einen Blick in das klaffende Erdloch zu werfen, das die herausgerissenen Wurzeln im Boden hinterlassen hatten. Das Loch hatte sich inzwischen mit Wasser gefüllt, und die Kieselsteine am Grund schimmerten wie polierte Edelsteine.
    Zaunkönig bückte sich und bohrte einen besonders hübschen roten Stein aus dem feuchten Erdreich. Rot war eine der Heiligen Farben und bedeutete Leben. Rote Steine verbargen auch häufig den zitternden Körper des bösen Zwillings, Roter Flint. Zaunkönig hielt den Stein ans Ohr, und da sie ihn nicht atmen hörte, steckte sie ihn in die Tasche ihres Umhangs und rannte weiter.
    Mit jedem Windstoß wischten Schatten und Sonnenflecken über ihren Weg. Sie lief an den kahlen Eichen am Fuße des Pfads vorbei und hinunter zum Seeufer. Schwarze Wellen brachen sich auf dem Kieselstrand, und die Gischtwolken stoben zwei Manneslängen hoch. Beim Herunterfallen glitzerten die winzigen Wassertröpfchen in allen Farben des Regenbogens. Zaunkönig beobachtete das Naturschauspiel eine Weile und warf dann einen bangen Blick in den Waldhain, wo sie den blutüberströmten Jungen gesehen hatte. Und obgleich das schon drei Nächte her war kam es ihr vor, als wären seither nur drei Herzschläge vergangen. Ihr Puls raste, als ihr ängstlicher Blick die Reisighaufen und das dichte Buschwerk absuchte, »…du wirst mit mir kommen. Die Macht hat das entschieden.« Morgens fürchtete sie sich nicht so sehr, doch wenn sie ihrem Onkel am Abend seine Mahlzeit brachte … da betete sie im Stillen, dass sie sich nicht vor lauter Angst die neuen Hosen nass machte.
    Vor ihr erhob sich Lost Hill.
    Blauer Rabe saß, eingehüllt in seinen Elchfellumhang, oben auf der Kuppe, den Bogen und den Köcher mit Pfeilen griffbereit neben sich. Vor ihm brannte ein kleines Feuer. Fünf Schritte von ihm entfernt, auf dem abschüssigen Hang, lag Polterer. Er lag auf dem Rücken, den kleinen, missgebildeten Körper ausgestreckt, Hände und Füße gefesselt und angepflockt.
    Selbst aus der Ferne konnte Zaunkönig ihn ganz deutlich sehen. Er trug nur Mokassins und sein schwarzes Hemd. Die Muschelschalen, die vorn auf der Hemdbrust aufgenäht waren, klimperten leise bei jedem Windstoß. Die eisige Kälte musste sich in seine Knochen fressen, doch er sah so ruhig aus, so gefasst.
    Ein Adler zog seine Kreise über dem Hügel, und Zaunkönig fragte sich, ob das wirklich nur ein gewöhnlicher Vogel war oder ein als Adler verkleideter Donnervogel. Die Geisterhelfer von Großmutter Erde, die Donnervögel, besaßen große Macht. Sie gaben Großmutter Erde zu trinken, wenn sie durstig war, reinigten sie und bewahrten ihre Fruchtbarkeit. Sie schürten auch Feuer in ihren Himmelsschmieden und schleuderten brennende Pfeile in die Wälder, um das Unterholz zu verbrennen und saftige grüne Lichtungen zu schaffen. Vom Beginn des Frühjahres an bis in den späten Herbst sorgten sie umsichtig für das Wohlergehen von Großmutter Erde, im Winter dann vergnügten sie sich mit allerlei Spielen und Possen. Und dabei verkleideten sie sich manchmal auch als Adler. Zaunkönig kniff die Brauen zusammen. Die Kreise des Adlers wurden immer enger und er flog immer schneller. Als er sich der Kuppe des Hügels näherte, bildete sich genau unter ihm eine Windhose aus aufgewühlter Erde und abgestorbenen Blättern, die sich wie eine schmutzige Schlange in den Himmel emporwand. Der Trichter wirbelte über den Pfad hinweg,

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