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Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Titel: Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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Leben, Onkel.« Blauer Rabe musterte sie skeptisch. »Wenn ich dich trotzdem dabei erwische, händige ich dich Siebenstern aus.«
    Siebenstern, die Anführerin des Klans, kannte kein Mitleid mit ungehorsamen Kindern. Sie ließ sie so lange Wasser holen, Mais mahlen und Feuerholz schleppen, bis sie um Vergebung bettelten. Zaunkönig sank kleinlaut in sich zusammen. »Ich bleibe hier, Onkel. Darauf gebe ich dir mein Ehrenwort.«
    Allmählich erwachte das Langhaus zum Leben. Gemurmel wurde laut. Die Bewohner nahmen ihre Tätigkeiten wieder auf, und die satten Rot, Gelb- und Grüntöne ihrer prächtigen Gewänder verwandelten den Raum in ein buntes Farbenmeer. Die Muschelohrringe klimperten wieder ihre fröhlichen Melodien. Obwohl der gestampfte Lehmboden mit dicken Lagen von Fellen ausgelegt war, brauchte es doch vier große Feuerstellen, um eine angenehme Wärme in dem Langhaus zu gewährleisten. Die Flammen warfen ihr orangerotes Licht über Körbe, Bögen und Lanzen, die an den Seitenwänden aus Baumrinde hingen, und tanzten über die getrockneten Vorräte an Früchten und Gemüsen, die in dicken Büscheln an der Decke aufgehängt waren. Nach all den Monden im Rauch der Feuerstellen hatten die Maiskolben, Bohnen, Kürbisse, Sonnenblumen und anderen Pflanzen eine glänzende schwarze Patina angenommen.
    »Was wirst du tun, Blauer Rabe?«, rief ein Mann vom anderen Ende des Langhauses ihm zu. »Wirst du das Kind hierher bringen? Soll es bei uns leben?«
    »Ich fälle keine Entscheidung, ehe ich es nicht gesehen habe.«
    An den Ärmeln seines Umhangs zog sich eine Borte aus roten Stachelschweinborsten entlang. Sie leuchteten glutrot, als er sich von seinem Platz am Feuer erhob.
    Die Leute starrten ihn an, ihre Besorgnis war gleichsam mit Händen greifbar.
    »Esst weiter«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Das Schlimmste ist schon geschehen. Wir haben das Kind geraubt.«
    Frost-auf-den-Weiden schürzte ihre runzeligen Lippen, versagte sich aber einen Kommentar. »Mutter«, beruhigte er sie. »Ich werde bald zurückkehren. Mach dir keine Sorgen um mich.« Als sie ihr Wettergegerbtes Gesicht hob, floss der Widerschein der Rammen wie Honig in die tiefen Falten und ließ sie aussehen, als hätte sie schon tausend Winter gesehen. Ihr weißes Haar leuchtete wie frisch gefallener Schnee. »Der Junge ist sehr gefährlich, mein Sohn.«
    »Er ist doch erst neun Winter alt, Mutter.«
    »Er ist ein wahrer Schrecken!«
    Blauer Rabe knotete seinen Umhang zu. »Vielleicht. Aber darüber urteile ich, nachdem ich ihn gesehen habe.«
    »Warum ist er ein Schrecken?«, fragte Zaunkönig verwundert. Sie balancierte auf den Knien, als mache sie sich für einen Wettlauf startbereit. »Ich dachte, er wäre ein Kind der Macht.« »Das ist er auch«, pflichtete ihr Blauer Rabe bei. »Aber mehr wissen wir im Augenblick noch nicht.« Frost-auf-den-Weiden hob eine dünne, eisgraue Braue. »Würdest du die Ältesten des BuntfelsenVolkes Lügner schimpfen? Sie sagen, das Kind ist sehr gefährlich.«
    »Ja, und ihre Worte haben uns in Angst und Schrecken versetzt, nicht wahr, Mutter? Genau, wie sie es geplant haben.«
    Frost-auf-den-Weiden schlug den herrischen Tonfall an, bei dem Blauer Rabes Herz als Kind jedes Mal gebebt hatte. »Diese Ältesten erzählen, dass das Falschgesicht-Kind, kaum dass es laufen konnte, zu jagen begonnen hat, aber nicht kleine Vögel und Streifenhörnchen wie andere Kinder, sondern Wölfe und Rotluchse. In seinem vierten Winter benötigte er auch keinen Bogen oder Pfeile mehr dazu. Er konnte töten, indem er ein Tier in dessen eigener Sprach anrief. Der alte Mann, Silberner Sperling, hat ihn einen ganzen Tag lang auf einem Felsen hocken sehen, wie taub und blind, und als er ihn später fragte, was er dort gemacht habe, antwortete der Junge: ›Dem Volk meines Vater zugehört. ‹« Zaunkönig schnappte nach Luft. »Sein Vater war ein Waldgeist! Das stimmt doch, oder? Das hat Biberschwanz mir erzählt!«
    »Schh, Mädchen«, zischte Frost-auf-den-Weiden. Zaunkönig biss sich beinahe auf die Zunge, so schnell klappte sie den Mund zu. Dann wandte Frost-auf-den-Weiden sich wieder an Blauer Rabe. »Um unserer ehrwürdigen Ahnen willen, mein Sohn, als dieses Kind zum ersten Mal auszog, um eine Vision zu suchen, da war er gerade fünf Winter alt. Du kannst ihn nicht behandeln wie …« »Ich kenne die Legenden über den Jungen, Mutter«, meinte Blauer Rabe kurz angebunden. Er hatte Silberner Sperling einmal getroffen und mochte den

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