Voyager 018 - Seven of Nine
ersten Visionen eines schwarzen Vogels – eines Raben –
heimgesucht wurde. Damals blieben jene Erscheinungen kein
Geheimnis: In ihrem Blutkreislauf hatte eine Regeneration von
Nanosonden stattgefunden, die auf ein Resonanzsignal der Borg
reagierten.
Das Signal hatte sie zum Wrack eines kleinen, von ihren
Eltern geflogenen Föderationsschiffes geführt, das bis zur
Assimilation ihr Zuhause gewesen war. Jenes Schiff hieß Raven, Rabe. Das Borg-Signal hatte sowohl die Implantate aktiviert als
auch alte Erinnerungen geweckt. Die vom holographischen Arzt
gefundene Lösung des Problems: eine Rejustierung der
Implantate, damit sie nicht mehr auf die Resonanzsignale der
Borg reagieren musste.
Aber jetzt…
Seven hob den Kopf und sah erneut zum schwarzen Vogel. Er
schien sie wirklich zu kennen. Inzwischen hatte er sich genähert
und richtete einen starren Blick auf sie.
»Du bist nichts weiter als ein Hirngespinst«, sagte Seven
streng. Sie gab sich alle Mühe, ihre Stimme fest klingen zu
lassen und nicht zu zittern, aber es gelang ihr nicht ganz. »In
Wirklichkeit existierst du überhaupt nicht!«
Der Rabe öffnete den Schnabel, wie zu einem stummen
Lachen.
»Sieh nur, Mama!«, rief Seven und zeigte mit einem hellblauen
Finger auf den Vogel. »Ein Skorrak! Eigentlich sollten sie erst in siebzehn Kreisen zurückkehren!«
»Du hast gut gelernt, Keela!« Die Mutter – weich, warm und
pelzig – streichelte ihre Tochter mit einer Klauenhand. Seven
ließ sich willig umarmen; es gefiel ihr sehr, auf diese Weise
berührt zu werden. »Bestimmt ist dein Lehrer stolz auf dich.
Willst du jetzt dafür sorgen, dass auch Krieger K’itka stolz auf dich ist? Möchtest du ihm den ersten Skorrak der Saison
bringen?«
Nervosität ließ Sevens zwei Herzen schneller schlagen. Doch
sie biss die spitzen Zähne zusammen und nickte.
»Ich werde mir alle Mühe geben«, versicherte sie ihrer
Mutter.
»Mehr kann man nicht von dir verlangen, mein liebes Kind.«
Die weichen gelben Haarbüschel an Sevens Augen und Kinn
richteten sich kurz auf. Normalerweise nahm sie Waffen mit,
wenn sie auf die Jagd ging, aber ein wahrer Krieger erlegte
seine Beute allein mit Händen, Zähnen und Schläue. Vielleicht
war dies der Tag ihres ersten Blutens. Ein aufregender
Gedanke.
Der Skorrak merkte nichts von ihrer Präsenz. Auf
spindeldürren Beinen hüpfte er umher; sein scharlachrotes und
schwarzes Gefieder glänzte im Licht des frühen Morgens. Seven
ging in die Hocke und konzentrierte sich auf die Beute. Ihr
langer Schwanz zuckte, verriet Erregung. Sie sprang, stieß sich mit den muskulösen Beinen ab und landete auf dem Vogel. Er
kreischte, und es gelang ihm, die ungeschickte Seven
abzuschütteln. Nur einen Mund voller Federn behielt sie für ihre Mühe.
»Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Seven?«
Sie blinzelte. Ihr Kopf schien hundert Kilo zu wiegen und viel
zu schwer zu sein, um von einem so dünnen Hals getragen zu
werden. Harry Kim hatte sich genähert. Kein Wunder, dass
ausgerechnet er gekommen war. Er wirkte verunsichert, schien
bestrebt zu sein, sie zu beschützen. Sein Verhalten… Menschen
sprachen in diesem Zusammenhang von einer Glucke, die…
… die ihr Skorrak-Küken beschützte.
»Ah!« Seven schnappte nach Luft und presste die Finger an
die Schläfen.
»Was ist los?«
Furcht erfasste Keela. Wo befand sie sich? Wo waren ihre
Mutter und der Skorrak mit dem glänzenden Gefieder? Etwas
musste passiert sein. Etwas Schreckliches. Ein hässliches
Gesicht blickte auf sie herab. Es wies weder eine Schnauze noch
Pelz auf, wirkte aber trotzdem sonderbar bekannt. Wer auch
immer dieser Fremde sein mochte – Keela spürte, dass sie ihm
vertrauen durfte.
Sie warf sich ihm entgegen, sank in die Arme des
Unbekannten und schluchzte. Neues Entsetzen quoll in ihr
empor, als sie feststellte: Irgendetwas hatte sie verwandelt. Sie
verfügte nicht mehr über eine geschmeidige, katzenhafte
Gestalt, sondern steckte in einem ganz anderen, bizarren Körper.
Der Fremde berührte sie mit warmen Pfoten und sprach Worte,
die sie kannte und doch keinen Sinn ergaben:
»Kim an Voyager. Medizinischer Notfall. Beamen Sie uns
sofort an Bord.«
»Ich fürchte, dafür habe ich keine Erklärung«, sagte der Doktor.
Er runzelte die Stirn – die Sache verwunderte ihn ganz
offensichtlich.
Kim versuchte, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu
lassen. Es hatte ihn sehr gerührt, als sich Seven an
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