Voyager 023 - Endspiel
ihres Lebens
zurück zu jenem anstrengenden Vierteljahrhundert des Fluges
durch den Delta-Quadranten. Fern der Heimat und ganz auf sich
allein gestellt hatte sie versucht, Schiff und Crew mit Hilfe eines Ideals zusammenzuhalten. Gleichzeitig war sie bestrebt
gewesen, das Ideal selbst zu schützen und zu verhindern, dass es
verblasste.
Einmal mehr fragte sie sich, ob es richtig gewesen war, auf
dem Versuch zur Heimkehr zu bestehen. Sie hätten sich anderen
Zivilisationen anschließen oder den Rest ihres Lebens auf
irgendeinem hübschen Planeten verbringen können, um dort
Familien zu gründen und neues Glück zu finden. Welche
Entscheidungen hätte Janeway getroffen, wenn ihr von Anfang
an klar gewesen wäre, dass die Rückkehr sechsundzwanzig
lange Jahre in Anspruch nehmen würde?
Oh, wie alt war diese Frage? Inzwischen älter als die ganze
Reise. Alt und verschrumpelt. Seit dem Transfer der Voyager
über siebzigtausend Lichtjahre hinweg hatte sie sich jeden Tag
damit beschäftigt. Aber sie war entschlossen genug gewesen, an
der einmal getroffenen Entscheidung festzuhalten. Warum jetzt
zurückblicken?
Sechsundzwanzig Jahre…
Sie griff nach der Kaffeetasse, einer ihrer Verbindungen zu der
langen Odyssee, und drehte sie ein wenig, um die angeschlagene
Stelle am Rand zu meiden. Sechsmal hatte Janeway diese Tasse
vor aufmerksamen Adjutanten gerettet, die sie durch eine neue
ersetzen wollten.
»Heute Morgen wurde im Tri-Nebel Anklage gegen ein
Glücksspiel-Konsortium der Ferengi erhoben…«, fuhr der
Nachrichtensprecher fort.
»Computer, Display deaktivieren.«
Janeway stand von der viktorianischen Couch auf und trat am
Korbtisch vorbei zum breiten, gewölbten Fenster. Im Glas
zeichnete sich das vage Spiegelbild einer Frau mit silbergrauen
Strähnen im Haar ab. Sie fand Gefallen daran. Vielleicht
erlaubte sie sich ein wenig Eitelkeit, doch abgesehen von den
Strähnen glaubte sie, sich kaum verändert zu haben. Einige
Falten hier und dort… Aber nur einige wenige.
Jenseits ihres Spiegelbilds erstreckte sich die Bucht von San
Francisco mit der Golden Gate Bridge. Dieser fächerförmige
Teil des Apartmentgebäudes war vom Architekten so geplant
worden, dass alle Bewohner dieses prächtige Panorama
genießen konnten. Hier ließen sich gern Admirale nieder, die
Starfleet Command nahe sein wollten, ohne direkt auf dem
Gelände zu wohnen. Für Janeway aber hatten Brücke und Bucht
eine größere – und auch eine andere – Bedeutung als für die
übrigen Admirale.
Hoffentlich blieb diese Bedeutung nach diesem Tag noch
erhalten.
Invasion.
Ein weiteres Treffen.
Das Apartment füllte sich immer mehr mit Leuten aller Art:
Menschen und Extraterrestrier, jung und alt, Starfleet-
Angehörige und andere – die überlebenden Crewmitglieder der
Voyager und ihre Familienangehörigen. Getränke, Vorspeisen, leise Musik, Gelächter, gelegentlich ein Lächeln. Janeway stand
hinter dem Regenschirmbaum und beobachtete, wie ein Kind zu
Harry Kim trat, der sich mit jemandem unterhielt, und an seinem
Ärmel zupfte.
Kim bekleidete jetzt den Rang eines Starfleet-Captains und
hatte ein eigenes Raumschiff – außer ihm war kein anderes
Besatzungsmitglied der Voyager bereit gewesen, eine solche berufliche Laufbahn einzuschlagen. Es hatte ihn einige Mühen
gekostet, dieses Ziel zu erreichen; einige graue Stellen in seinem Haar wiesen darauf hin. Aber letztendlich waren seine
Anstrengungen von Erfolg gekrönt gewesen. Oh, ja, Janeway
hatte ihre Beziehungen genutzt, um das eine oder andere
Hindernis für ihn aus dem Weg zu räumen – warum auch nicht?
»Hallo«, grüßte Kim das Kind an seinem Ellenbogen.
»Wie heißt du?«, fragte das kleine Mädchen.
»Harry. Und du?«
»Sabrina.«
»Naomis Tochter? So groß bist du geworden?«
»Ich erinnere mich nicht an dich.«
»Am letzten Treffen dieser Art habe ich vor vier Jahren
teilgenommen.« Kim straffte stolz die Schultern. »Ich bin mit
einer Forschungsmission im All beauftragt gewesen.«
»Und die hat vier Jahre gedauert?«
Janeway lächelte. Für ein Kind waren vier Jahre eine
Ewigkeit.
»Im Vergleich mit der Zeit an Bord der Voyager war es nur ein langes Wochenende. Kannst du deine Mutter für mich finden?
Ich würde sie gern begrüßen.«
Das Mädchen nickte und eilte fort. Janeway sah eine gute
Gelegenheit. Sie wollte mit Kim reden, aber nur mit ihm allein,
nicht mit einigen lächelnden Verwandten, die erneut
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