Voyeur
ist also erlaubt. Das ist Donald.» Ich grüßte ihn lächelnd.
«Und Zeppo.» Wer Zeppo war, erklärte sie nicht weiter.
«Geht alles klar mit morgen Abend?», fragte der junge Mann. Anna nickte.
«Acht Uhr. Ich werde da sein.»
Er grinste. «Super. Dann bis morgen.» Er deutete auf eine Gruppe am anderen Ende des Lokals. «Ich gehe lieber zurück. Ich
bin mit der nächsten Runde dran.»
Er lächelte noch einmal Zeppo und mich an, ehe er verschwand. Ich saß angespannt da. Ich hatte keine Ahnung, wer er war,
aber die beiden waren so locker miteinander umgegangen, dass ich mir gar nicht vorzustellen wagte, wie vertraut sie einander
waren. Und sie wollte ihn am nächsten Abend treffen. Ich verspürte eine heftige Eifersucht.
«Ein Freund von dir?», fragte Zeppo.
«Na ja, er ist der Freund einer Freundin von mir», sagte Anna. «Er ist ganz okay, aber er säuft wie ein Loch. Caroline
– |320| das ist seine Freundin – macht morgen Abend ein Essen, und er wird todsicher hinüber sein, ehe die Teller abgeräumt sind.
Ich habe keine Ahnung, wie sie es mit ihm aushält.»
Beruhigt gab ich mich großmütig. «Er wirkte ganz nett.»
«Ja, ist er auch. Und er wird immer noch nett sein, wenn er in ungefähr zwei Stunden vom Hocker kippt. Das ist der einzige
Grund, warum er es sich erlauben kann.»
Zeppo begann uns von einem Bekannten zu erzählen, der ein Alkoholproblem hatte. Er schien für jede Gelegenheit eine Geschichte
parat zu haben, aber ich tat nur so, als würde ich zuhören.
Die Furcht, die kurz in mir aufgekommen war, hatte sich verflüchtigt, doch ich blieb verunsichert. Die Erinnerung daran,
dass Anna noch ein Privatleben hatte, von dem ich nichts wusste, war schmerzhaft. Ich sagte mir, dass es unrealistisch
war, etwas anderes zu erwarten, und dass es keine Rolle spielte, solange unsere Beziehung dadurch nicht beeinträchtigt
wurde. Trotzdem nagte die Eifersucht an mir. Ich wollte nicht, dass sie andere Menschen als uns traf. Ich wollte sie exklusiv
besitzen.
Doch mein Unmut über ihre Freunde, die ich ja größtenteils gar nicht kannte, war nur kurzlebig. Ohne weitere Nahrung konnte
er nicht bestehen, und Anna gab mir keine. Ich hatte nicht länger das Gefühl, lediglich ihr Arbeitgeber zu sein. Während
der nächsten Wochen gingen wir drei häufiger aus denn je. Ich konnte mir vormachen, dass dieser glückliche Zustand dauerhaft
war, und obwohl ich im tiefsten Inneren wusste, dass er irgendwann enden und der Zeitpunkt kommen musste, wo ich zum unwillkommenen
Dritten werden würde, begann ich zu glauben, dass es erst in einer unabsehbaren |321| Zukunft so weit wäre. Die Gegenwart, in der ich eine gleichwertige Rolle spielte, erschien unvergänglich.
Eines Abends nach einem Theaterbesuch deutete sich jedoch zum ersten Mal an, dass ich überflüssig geworden war. Eigentlich
war es genauso gewesen wie immer, wenn wir seit Annas Rückkehr ausgingen. Ich hatte keine Veränderung ihres Verhaltens wahrgenommen,
weder Zeppo noch mir gegenüber. Es war ein warmer Abend, und wir waren in einen Pub mit einem kleinen Biergarten gegangen,
sodass wir draußen sitzen konnten. Als Zeppo mal wieder eine seiner Anekdoten zum Besten gab, hörte ich nicht richtig zu.
Dann lachte Anna.
Seit Martys Verschwinden war es das erste Mal, dass ich sie lachen hörte, richtig lachen, und mir war keineswegs entgangen,
dass Zeppo diese Reaktion ausgelöst hatte. Ihm auch nicht. Als er eine weitere witzige Bemerkung machte, streckte Anna,
noch immer lachend, ihre Hand aus und berührte seinen nackten Arm. Es war eine völlig spontane und harmlose, doch gleichzeitig
intime Geste. Zeppo warf mir einen kurzen Blick zu und richtete seine Aufmerksamkeit dann sofort wieder auf Anna. Während
er mit seiner Geschichte fortfuhr, legte er seine Hand auf ihren Unterarm. Seine Geste war alles anderes als spontan und
harmlos, doch Anna schien es weder zu bemerken noch etwas dagegen zu haben.
Plötzlich war mir bewusst, dass ich ausgeschlossen war. Für ein paar Augenblicke schien ich für die beiden nicht zu existieren,
und dieses Gefühl versetzte mir einen Stich. Der Moment ging schnell vorüber – Anna war zu rücksichtsvoll, um mich lange
zu missachten –, doch das Gefühl blieb. Und jetzt, wo es mir zum ersten Mal bewusstgeworden war, fiel |322| mir auf, dass sie ihn anders anschaute als mich und auch auf andere Weise auf ihn reagierte. Ich konnte mir nicht länger
etwas
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