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Voyeur

Titel: Voyeur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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haben?»
    «Ich sage lediglich, dass es eine Möglichkeit ist.»
    Anna dachte nur kurz darüber nach. «Nein, nein, das hätte er nie getan, ohne mir etwas zu sagen. Außerdem hat er sich genauso
     darauf gefreut wie ich.» Sie wirkte entschieden.
    Ich neigte meinen Kopf. «Sie kennen ihn natürlich am besten. Aber versuchen Sie, es objektiv zu betrachten. Ich weiß, dass
     es schwer ist, aber wenn Sie sich die nackten Tatsachen vor Augen führen und für einen Moment vergessen, um wen es geht,
     scheint alles auf ein solches Szenario hinzudeuten. Marty verbringt zwei Tage allein, und einen Tag bevor Sie zurückkommen,
     verschwindet er mit einem gepackten Koffer und seinem Pass.»
    «Sie meinen, er könnte ohne mich nach Amerika gegangen sein?»
    Das hatte ich eigentlich nicht gemeint, aber es war ein ganz nützlicher Einfall. Ich zuckte hilflos mit den Achseln. Anna
     war still, während sie über diese neue Möglichkeit nachdachte.
    «Nein, das hätte er nicht getan», sagte sie nach einer Weile. Aber dieses Mal schien sie sich nicht mehr ganz so sicher
     zu sein. «Dann hätte er etwas gesagt. Außerdem ist der größte Teil seiner Sachen noch da. Das kann nur bedeuten, dass er
     zurückkommen will. Er hätte einfach seinen Pass nehmen können und   … und   …»
    Ich sagte nichts. Sie lächelte traurig. «Ich komme einfach nicht davon los. Warum hat er nur seinen Pass mitgenommen?»
    «Dafür könnte es eine ganze Reihe von Gründen geben», |182| sagte ich. Aber ich versuchte nicht, ihr einen zu präsentieren.
    Anna starrte ins Leere. «Ich hoffe nur, dass er sich bald meldet.»
    Ich tätschelte ihren Arm. «Das wird er bestimmt.»
     
    *
     
    Während der nächsten Tage herrschte eine Art angespannte Ruhe. Anna war still und in sich gekehrt. Sie rief regelmäßig bei
     der Polizei an, und wenn auch nur, um sich zu vergewissern, dass man wirklich versuchte, Marty zu finden. Die Beamten
     behaupteten, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, aber Anna war nicht überzeugt davon. Und ihre Hilflosigkeit belastete
     sie fast genauso sehr wie Martys Verschwinden. Mein Angebot, weniger zu arbeiten, lehnte sie ab. «Ich komme lieber in die
     Galerie, als nur zu Hause zu sitzen und zu warten», sagte sie.
    In mir kam vorsichtiger Optimismus auf. Ich hatte Zeppo unbegrenzten Urlaub gegeben und ihm gesagt, dass ich mich melden
     würde, sobald ich ihn wieder brauchte. Obwohl das Problem Marty aus dem Weg geräumt war, hatte Zeppo nicht gefragt, warum
     unsere ursprüngliche Vereinbarung, Anna zu verführen, noch immer Bestand hatte. Ob das daran lag, dass die Sache für Zeppo
     unerledigt war, oder ob es ihm einfach nicht in den Sinn gekommen war, das Thema noch einmal offen anzusprechen, wusste
     ich nicht. Ich war nur froh, dass er die Angelegenheit anscheinend als selbstverständlich betrachtete. Auf jeden Fall hatte
     ich nicht vor, ihn in absehbarer Zeit wieder anzurufen. Ich konnte mir nicht vorstellen, |183| dass Anna so schnell nach Martys Verschwinden offen für die Avancen eines anderen Mannes sein würde. Doch in Anbetracht der
     offenbar mangelhaften Bemühungen der Polizei und des stärker in ihr wachsenden Verdachts, dass Marty aus freien Stücken verschwunden
     war, begann ich zu glauben, dass Zeppo seine Umwerbung vielleicht schneller wiederaufnehmen könnte als geplant.
    Leider war mein Optimismus verfrüht. Von einer unerwarteten Seite bahnte sich ein Problem an.

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    |184| Kapitel 13
    Da Anna keine Möglichkeit hatte, Martys Eltern zu erreichen, war ich davon ausgegangen, dass man sie mit gutem Gewissen
     außer Acht lassen konnte. Soweit ich wusste, hatten sie keine besonders enge Beziehung zu ihrem Sohn, und daher schien nichts
     gegen die Annahme zu sprechen, dass sie von seinem Verschwinden in Unkenntnis blieben, zumindest für die absehbare Zukunft.
    Doch manche Dinge sind einfach unberechenbar. Als Anna eine Woche nachdem Marty verschwunden war, in die Galerie kam, sah
     ich sofort, dass etwas nicht stimmte.
    «Was ist los?», fragte ich.
    Sie gab sich Mühe, normal zu klingen. «Martys Vater hat gestern Abend angerufen.»
    «Sein Vater?» Ich suchte nach einer angemessenen Reaktion. «Hat er von ihm gehört?»
    «Nein. Genau deswegen hat er sich gemeldet. Vor zwei Tagen hatte Martys Mutter Geburtstag, und er hat weder eine Karte geschickt
     noch angerufen. Sein Vater wollte sich beschweren, weil er es vergessen hat.» Anna sah jung und verängstigt aus. «Es ist
     das erste Mal,

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