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Voyeur

Titel: Voyeur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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Anna noch einen
     Detektiv von der Liste gestrichen hatte, weil er angab, «zwanzig Jahre Erfahrung als Polizeisergeant» zu haben.
    «Wie die Polizei denkt, weiß ich schon», sagte sie. «Wenn er so lange Polizist war, wird er nicht anders sein.»
    Bei der ersten Nummer, die Anna anrief, erreichte sie nur einen Anrufbeantworter: Sie legte auf, ohne etwas zu sagen. Der
     zweite Anruf schien vielversprechender zu sein. Ich saß Anna im Büro gegenüber, während sie kurz erklärte, was sie wollte.
     Mir fiel auf, dass ihre Hand, die nicht das Telefon hielt, leicht zitterte. Sie verabschiedete sich und legte den Hörer
     auf die Gabel.
    «Ich bin um vier Uhr mit Mr.   Simpson verabredet.»
    «Haben Sie gerade mit ihm gesprochen?»
    |194| «Nein, das war seine Sekretärin. Sie sagte, er sei bis heute Nachmittag unterwegs.»
    «Wollen Sie es bei den anderen auch noch versuchen?»
    Sie schüttelte den Kopf. «Ich schaue erst mal, was bei diesem Gespräch herauskommt.» Sie lächelte verlegen. «Um ehrlich zu
     sein, ich finde es etwas unheimlich. Völlig fremde Leute zu bitten, nach Marty zu suchen.»
    Ich zeigte sofort Reue. «Sie hätten etwas sagen sollen! Ich hätte das für Sie übernehmen können.»
    «Aber nein, das meinte ich nicht. Ich mache es lieber selbst. Aber es ist irgendwie   … na ja, Sie wissen schon.»
    Ich nickte verständnisvoll. «Möchten Sie, dass ich Sie begleite?»
    «Das überlasse ich Ihnen. Ich möchte nicht, dass Sie sich verpflichtet fühlen. Sie haben bereits genug getan, außerdem mussten
     Sie heute wegen mir schon einmal die Galerie schließen.»
    Ich konnte ihr ansehen, dass ihr der Gedanke, allein zu gehen, nicht behagte. Und mir gefiel es, dass sie mich dabeihaben
     wollte. «Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass Sie sich darüber keine Gedanken machen sollen. Diese Sache ist wesentlich
     wichtiger.»
    «Und es ist Ihnen auch wirklich nicht lästig?»
    «Selbstverständlich nicht. Ich begleite Sie sehr gern.»
    Mit einem Mal lächelte Anna. «Wenn Marty wüsste, wohin ich gehe, wäre er begeistert. Er ist ein großer Fan von diesen alten
     Detektivgeschichten.»
    «Ich habe ein oder zwei Bücher von Sir Arthur Conan Doyle gelesen», sagte ich. «Die haben mir ganz gut gefallen.»
    |195| «Marty steht mehr auf die harten amerikanischen Krimis der Schwarzen Serie. Chandler, Hammett, James M.   Cain und so weiter.»
    Dann hatte er ja ein recht passendes Ende gefunden, dachte ich.
     
    *
     
    Die Detektei Simpson hatte wenig Ähnlichkeit mit ihren fiktionalen Ebenbildern. Die Geschäftszimmer im ersten Stock eines
     Hauses in Finchley besaßen weder die Eleganz von Holmes’ Wohnung noch die männlich schäbige Atmosphäre der Büros amerikanischer
     Privatschnüffler. In den kühlen und anonymen Räumen hätte man auch eine Glaserei oder einen Versicherungsmakler erwarten können.
     Eine Reihe gerahmter Zertifikate präsentierte die üblichen obskuren Qualifikationen. Und Simpson selbst, der an einem Schreibtisch
     davor saß, sah so aus, als wäre er eher mit Steuererklärungen als mit Ermittlungsproblemen vertraut.
    Nachdem er mir und Anna die Hand geschüttelt hatte, bat er uns, Platz zu nehmen. Er war ein harmlos aussehender Mann mittleren
     Alters mit beginnender Glatze und verströmte einen Geruch nach Aftershave und Pfefferminz. Er bot uns Tee oder Kaffee an und
     wirkte enttäuscht, als wir ablehnten.
    «Also Miss   … Palmer?» Er sah Anna fragend an. Sie nickte. «Wie ich höre, wollen Sie Ihren Freund finden.»
    «Das ist richtig.»
    «Und wie lautet sein Name, bitte?»
    «Marty Westerman.» Anna knetete ihre Hände, während |196| sie Simpson von Martys Verschwinden erzählte. Er machte sich auf einem Formblatt Notizen und wartete, bis sie fertig war,
     ehe er Fragen stellte. Ihre Antworten schrieb er sorgfältig auf.
    «Haben Sie eine Fotografie?»
    Anna zog einen kleinen Schnappschuss aus ihrer Handtasche. Ich schaute eifersüchtig darauf, aber er zeigte nur Marty. Simpson
     heftete das Bild mit einer Klammer an seine Notizen.
    «Wie stehen Ihrer Meinung nach die Chancen, ihn zu finden?», fragte Anna. Sie klang und wirkte nervös. Simpson schürzte
     seine Lippen.
    «Das ist schwer zu sagen. Nach allem, was Sie mir erzählt haben, sieht es so aus, als wäre er freiwillig verschwunden.
     Warum er gegangen ist und warum er sich nicht gemeldet hat, sind andere Fragen. Es hat keinen Sinn, jetzt schon Vermutungen
     anzustellen. Im Moment kann ich nichts anderes tun, als

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