Voyeur
könnte?»
Sie schüttelte hilflos den Kopf. «Nein.»
|206| «Ihnen fällt also niemand ein, der ihn dazu gebracht haben könnte, die Wohnung auf diese Art zu verlassen?»
«Ich habe jeden gefragt: Unsere Freunde, alle Leute, die er von der Uni kennt. Niemand hat mit ihm gesprochen.»
«In Ordnung. Versuchen Sie trotzdem, weiter darüber nachzudenken.» Er schaute wieder kurz in die Akte. «Ich denke, man kann
davon ausgehen, dass er entweder einen Bus oder die U-Bahn genommen hat. Wenn er ein Taxi hätte nehmen wollen, hätte er sich bestimmt eines von zu Hause gerufen.» Ich stieß im Stillen
ein Dankgebet aus, dass ich Marty nahegelegt hatte, kein Taxi zu nehmen. «Ich habe versucht, die Busfahrer ausfindig zu
machen, die zu dieser Zeit durch Ihr Viertel gefahren sind. Mit allen haben wir noch nicht gesprochen, aber bisher kann
sich keiner daran erinnern, eine Person mitgenommen zu haben, auf die Martys Beschreibung zutrifft. Ich habe auch mit den
Leuten vom Ticketschalter der nächsten U-Bahn -Station gesprochen, aber von denen kann sich auch niemand an etwas erinnern.» Er zuckte entschuldigend mit den Achseln.
«Das Problem ist, dass es mittlerweile zwei Wochen her ist. Seitdem sind dort eine Menge Menschen durchgekommen.»
«Dann ist das also eine Sackgasse», sagte Anna tonlos.
«Nun ja, er hat nicht gerade eine Leuchtspur hinterlassen, aber wir haben die Suche erst begonnen. Flughäfen und Krankenhäuser
überlassen wir der Polizei. Wenn er dort auftaucht, wird sie automatisch kontaktiert. Doch es gibt eine Menge anderer Orte,
an denen er sein könnte, und auf die konzentrieren wir uns. Ich habe mich bereits mit der Heilsarmee in Verbindung gesetzt,
und dort will man auch schauen, was man tun kann.»
|207| Sowohl Anna als auch ich sahen ihn verblüfft an. «Die Heilsarmee? Inwiefern kann die helfen?», fragte Anna.
«Die ist wirklich sehr gut», sagte Simpson. «Die meisten Leute wissen das nicht, aber sie unterhält ein Vermisstenbüro und
eine Datenbank, die fast so gut ist wie die der Polizei. Die Polizei greift sogar manchmal selbst darauf zurück. Das kann
eine Menge Zeit und Lauferei ersparen. Und vielleicht haben wir Glück, und er ist in einem ihrer Wohnheime untergekommen.»
Anna machte eine skeptische Miene. «Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen.»
«Vielleicht nicht, aber es kann nicht schaden, das zu überprüfen. Wir haben uns auch mit dem CVJM in Verbindung gesetzt.
Bisher hatten wir kein Glück, aber wir fragen zur Sicherheit alle paar Tage nach, ob er dort Unterschlupf gefunden hat.»
Er warf wieder ein Blick auf die Akte und schaute dann Anna an.
«Über eine Sache sollten wir noch sprechen. Er muss von irgendetwas leben. Sie sagten, er hätte sein Scheckbuch mitgenommen.
Haben Sie vielleicht ein gemeinsames Konto bei einer Bank oder einer Bausparkasse, in das wir Einsicht bekommen könnten?»
Anna schüttelte den Kopf. «Nein. Wir haben getrennte Konten.»
Simpson wirkte enttäuscht. «Ach so. Wenn Sie ein gemeinsames Konto hätten, könnten Sie die Bank nämlich bitten, den Zahlungsverkehr
zu überprüfen. Dadurch könnte man herausfinden, wie viele Schecks er in letzter Zeit ausgeschrieben hat und wo sie eingelöst
worden sind.»
«Können wir das nicht trotzdem tun?»
|208| «Das wäre schön. Es würde die Sache wesentlich vereinfachen, aber keine Bank gibt solche Informationen heraus, wenn es kein
gemeinsames Konto ist.»
«Auch nicht, wenn ich erkläre, was geschehen ist?»
«Nein, leider nicht. Selbst die Polizei hat dazu keine Vollmacht. Nicht in einer solchen Situation.»
«Was meinen Sie mit ‹einer solchen Situation›?», fragte ich.
Er wählte seine Worte vorsichtig. «Nun ja, ich meine, dass im Moment eigentlich kein Anlass zur Sorge um Martys Wohlergehen
besteht. Mir ist klar, dass Sie natürlich sehr besorgt sind», fügte er hastig hinzu, ehe Anna etwas sagen konnte. «Aber
es gibt keine … sagen wir ‹verdächtigen Umstände› in Bezug auf sein Verschwinden. Wenn es welche gäbe, wäre es eine andere Sache. Wenn
irgendetwas darauf hinweisen würde, dass ihm – Gott bewahre – etwas zugestoßen sein könnte, dann würde die Bank mit der
Polizei kooperieren. Aber nicht bei dem gegenwärtigen Stand der Dinge.»
Er lächelte. «Ich weiß, dass es uns nicht gerade hilft, ihn zu finden, aber auf eine Art ist es ein gutes Zeichen, dass
wir keinen Zugriff auf sein Konto haben. Wenn Sie verstehen,
Weitere Kostenlose Bücher