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VT01 - Eine Wunde in der Erde

VT01 - Eine Wunde in der Erde

Titel: VT01 - Eine Wunde in der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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erschlagen zu werden.
    »Ihr seid ein verantwortungsloses, verwöhntes Ding!«, plärrte Chérie sie mit unerwarteter Vehemenz an. »Nur Ihnen und Ihren Launen ist es zu verdanken, dass wir nun wie gewöhnliche Tagelöhner um unser Leben laufen müssen.«
    Der Lakai war völlig außer sich. Er sagte Dinge, die noch nie jemand in ihrer Gegenwart in den Mund genommen hatte.
    Außer Vater…
    Der Tod ist ihm nach diesen Frechheiten sicher!, schoss es Lourdes durch den Kopf. Ich könnte ihn vierteilen oder in einem der riesigen Nahrungsdampftöpfe der Himmelsstadt lebendig garen lassen.
    Die Prinzessin müsste plötzlich lachen.
    Was nutzte es, jetzt eine Strafe auszusprechen, wenn ihr Überleben angesichts dieser Katastrophe ohnehin mehr als unsicher erschien?
    Neue Geräusche ertönten. Solche, die ihrem Empfinden nach nichts mit dem Feuerausbruch und der Flutwelle zu tun hatten.
    Längst hatte sie jegliche Orientierung verloren. War sie durch die aufgebrochenen Erdspalten etwa zur Menschenkette der Kilmalier hin abgedrängt worden? Es erschien ihr nur schwer möglich. Die beiden Gruppen waren gut und gern einen Kilometer voneinander entfernt gewesen, bevor das Wasser gekommen war.
    »Soldaten zu mir!«, rief sie, so laut sie konnte. »Beschützt gefälligst eure Prinzessin!« Chérie, den sie in den Nebelschwaden kaum noch ausmachen konnte, rückte noch ein Stückchen näher. Er war einer, der stets Befehlen gehorcht hatte und auch in diesen Augenblicken nicht aus seiner Haut konnte.
    Lourdes tastete nach dem kleinen Messer, das sie an einem Lederriemen um den linken Oberschenkel trug. Es handelte sich um ein edelsteinbesetztes Ziermesser, das über eine scharfe und spitze Klinge verfügte.
    Sie fühlte Angst – und Aufregung. Eine seltsame Mischung, die ihr mit schrecklicher Vehemenz bewusst machte, wie sehr das Leben während der letzten Jahre an ihr vorübergegangen war.
    Ein riesiger Schatten näherte sich ihr frontal, mit taumelnden Schritten. Seine Arme waren ausgestreckt. In den Händen hielt er etwas, das ein Knüppel sein mochte.
    Sie packte das Messer, zog es aus der Scheide, bereit, jeden Moment zuzustoßen. Wenn einer der Städter die Situation ausnutzen und über sie herfallen wollte, sollte er sein blaues Wunder erleben!
    Der Schemen stieß dumpfe Töne aus, wie sie nicht von einem Menschen stammen konnten.
    Ein Monstrum!, dachte sie, ausgespuckt von Feuergöttern, die uns Menschen vernichten wollen!
    Sie wich mehrere Schritte zurück, stieß gegen etwas Festes. Mit ersticktem Schrei drehte sie sich um, stach mit dem Messer wild um sich, traf auf klirrendes Metall.
    »Verzeiht, Mademoiselle!«, sagte jemand, ohne den Hieben auszuweichen. Ihre Stiche verfingen sich im grob geschmiedeten Kettenhemd.
    Sie hielt inne und musterte den Soldaten erleichtert von oben bis unten. Er war bärtig, groß und muskulös. Sie konnte sich vage an ihn erinnern. Hinter ihm näherten sich ein zweiter und ein dritter Mann. Alle hielten sie ihre Schusswaffen in Händen; mittelkalibrige Luftdruckgewehre, die geschrotetes Metall verschossen.
    »Schützt mich vor diesem Wesen dort vorne!« Lourdes deutete mit zitternden Fingern in die Richtung, in der sie den wieder im Nebel verschwundenen Unheimlichen vermutete. Sie konnte die Erleichterung, auf mehrere ihrer Beschützer getroffen zu sein, nicht verbergen.
    Der Bärtige nickte und schritt vorneweg. »Bleib stehen!«, rief er mit befehlsgewohnter Stimme.
    Keine Reaktion; bloß ein dumpfes, unverständliches Lallen. Dann tauchte das Wesen auf; wie ein Schlafwandler hielt das Geschöpf die Arme vor sich und taumelte schwerfällig auf sie zu.
    Auf ein Kommando hin stürzten die Soldaten vorwärts, umringten ihren Gegner, hieben mit den Kolben ihrer Waffen auf ihn ein. Sie gaben ihm keine weitere Möglichkeit, sich zu rechtfertigen. Er fiel zu Boden, rührte sich nicht mehr.
    Der bärtige Soldat beugte sich hinab. »Das… das ist einer von uns!«, rief er schließlich der Prinzessin zu.
    Lourdes trat vorsichtig näher. Der Nebel zog sich immer mehr zusammen, als wollte er sich ganz auf diese eine unheimliche Szene konzentrieren.
    Die Soldaten hievten den Mann hoch und stellten ihn aufrecht vor sie hin. Er war tot. Seine Augen betrachteten sie anklagend. In einer Hand hielt er ein zusammengerolltes Stück Papier.
    Lourdes wand es ihm aus den Fingern. Es war eine Anklageschrift über Steuervergehen der Stadt Kilmalie.
    »Lomboko der Raffzahn«, sagte sie erschüttert. »Aber

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