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VT01 - Eine Wunde in der Erde

VT01 - Eine Wunde in der Erde

Titel: VT01 - Eine Wunde in der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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Böses wollte.
    Ein weiteres Wesen schob sich grunzend, sinnlose Laute ausstoßend, ins Licht des Vollmonds. Dann noch eines und noch eines. Sechs waren es schließlich.
    Sie ähnelten sich in Art und Aufmachung, trugen ähnliche Kleidungsstücke, die nur noch in stinkenden Fetzen von ihren dürren Leibern herabhingen.
    Die drei Soldaten stoppten, als sie sich plötzlich einer Übermacht gegenüber sahen. Der Bärtige zog sein Luftdruckgewehr zur Brust, lud durch und schoss, traf den Vordersten am Arm.
    Der marschierte weiter, als wäre nichts geschehen. Aus der Wunde flossen ein paar Tropfen eitriger Flüssigkeit, vermischt mit dunkelrotem Blut.
    »Gruh!«, grunzte er, und nochmals: »Gruh!«
    Hätte das Monster Wut, Verwunderung oder Unverständnis gezeigt, wäre es halb so schlimm gewesen. Aber der… der Gruh schien sich an seiner Verletzung nicht einmal zu stören. Wie eine Dampfmaschine, stoisch und unbeirrt, funktionierte er weiter.
    Zwei weitere Schüsse. Eine der Ladungen zerfetzte das linke Knie desselben Gegners, die andere seinen Magen.
    Wiederum keine Reaktion.
    Noch bevor der bärtige Soldat Schrot nachladen und den Druck in seinem Gewehr hoch pumpen konnte, war der Gruh heran. Er packte seinen Widersacher, riss ihn mit einem ächzenden Laut hoch, schleuderte ihn zu Boden und sprang auf seinen Brustkorb.
    Ein lautes Knacken, ein noch lauterer Schmerzensschrei.
    Die beiden anderen Wächter eilten ihrem Kollegen zu Hilfe. Noch bevor sie den Verletzten erreichten, waren auch die anderen Gruhs heran. Die Leiber verkeilten sich ineinander, bildeten für wenige Momente ein Knäuel.
    Bis schließlich drei Körper entseelt am Boden lagen – und die Unheimlichen unbeirrt auf sie und den wimmernden Chérie zuwankten.
    Der Tod kam in Form entmenschter Höllenwesen, um sie für ihre schweren Verfehlungen zu bestrafen. Lourdes blieb nichts anderes übrig, als ihr Schicksal mit erhobenem Haupt hinzunehmen.
    ***
    Der Flug zurück nach Kilmalie dauerte Kinga viel zu lange. Immer wieder wechselte der nach wie vor sprachlose Lenker die Richtung, um Wolken, Nebel, hochschießenden Gesteinsbrocken und thermischen Fallwinden auszuweichen.
    Nichts war zu sehen von dem, was dort unten vor sich ging.
    Existierte Kilmalie noch? Hatten die Städter die Gewalt der aufeinander prallenden Elemente überlebt?
    War Lourdes, die Prinzessin, in Sicherheit?
    Unglaublich! Wie konnte er an dieses feiste, selbstsüchtige Geschöpf, das ihn als Lustknaben missbraucht hatte, auch nur einen einzigen Gedanken verschwenden? Was war in ihn gefahren? Hatte das Aphrodisiakum, dessen Geschmack er im Wein natürlich bemerkt hatte, eine länger anhaltende Wirkung und band ihn an die Frau? Hatte ihr verrückter Lakai einen Zauber ausgesprochen?
    Endlich klarte es ein wenig auf; da und dort war der Boden zu sehen. Er wirkte zerfurcht und zerfetzt. Als hätte ein wütender Riese auf ihn eingeschlagen und seine Zeichen in das Erdreich geritzt.
    Es war genau so, wie es in den alten Überlieferungen ausgesagt wurde: Mächte, die weit über den Menschen standen, kehrten von Zeit zu Zeit zurück, um allem Leben in diesem Landstrich Demut zu lehren.
    Risse zogen sich kreuz und quer. In manchen von ihnen glühte Feuer nach, während andere tief, dunkel und abweisend wirkten.
    »Kilmalie!«, rief Nabuu, und deutete erregt auf das östliche Stückchen der Stadt, das zwischen Nebelfeldern sichtbar wurde.
    Ja! Wie durch ein Wunder war der Feuerstrom unmittelbar davor zum Stillstand gekommen. Erkaltetes Gestein zeigte bizarre Formen; Bäche und größere Ströme durchflossen die Ebene und verloren sich schließlich irgendwo in den Spalten.
    Der Witveer entfernte sich von der Stadt. Der Lenker musste gute Augen besitzen, denn er hatte lange vor ihnen die Menschen entdeckt, die über einen etwas höher gelegenen Landfleck verteilt da standen. Sie wirkten ruhig, wie betäubt. Als ginge sie die Katastrophe, deren Zeugen sie soeben geworden waren, nichts an.
    Endlich, als der Witveer einen Lockschrei ausstieß, der wohl seinen männlichen Artgenossen galt, wurden die Kilmalier auf sie aufmerksam. Sie winkten, deuteten, schrien. Rasch einigte sich ein Chor von Stimmen auf ein altes Volkslied, das von Heldentum kündete.
    »Das gilt uns!«, sagte Nabuu. Er grinste und winkte stolz zurück.
    Ja, sie hatten es entgegen aller Erwartungen geschafft.
    Aber es kümmerte Kinga nicht. Viel mehr interessierte ihn die Frage, wo die Prinzessin samt Gefolge hin verschwunden war.

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