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VT05 - Tag der Vernichtung

VT05 - Tag der Vernichtung

Titel: VT05 - Tag der Vernichtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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unsicher. Fragend zog er die Brauen hoch, entgegnete aber nichts mehr.
    Van der Groot kramte die letzte Ampulle mit dem Schmerzmittel aus seinen Sachen. Die vier leeren hatte er aufgehoben, er drückte sie van Dam in die Hand. »Füll sie zur Hälfte mit Wasser.« Van Dam zögerte kurz, ging dann aber kommentarlos zum Waschbecken.
    Van der Groot zog das Schmerzmittel auf und spritzte es Hahn in den Gesäßmuskel. »Danke, Doktor«, stöhnte der Schweizer. »Gott wird es ihnen vergelten… Jesus Christus spricht: ›Was ihr getan habt… einem meiner geringsten Brüder… das habt ihr mir getan…‹ Danke.«
    Van der Groot füllte auch die fünfte Ampulle mit Wasser.
    Danach setzte er die Brille ab, hielt sie mit den Gläsern nach oben und löste eine kaum sichtbare Klemme, die den rechten Bügel mit dem Glasgestell verband. Van Dam beobachtete ihn misstrauisch. Im Hof krachten schon wieder Schüsse. Ihre schwarzen Zellenkameraden stritten sich um die beiden Logenplätze.
    »Halte das.« Van der Groot reichte dem Jüngeren die Brille.
    Aus der Hemdtasche zog er den Waschzettel der Schmerzmittelpackung, den er zuvor schon scharf gefaltet hatte. Er kippte den hohlen Bügel auf die Papierrinne – ein weißes Pulver rieselte in den Falz.
    »Was ist das?«, wollte van Dam wissen.
    »Etwas, das uns retten wird, wenn es gut läuft.« Der Professor beugte sich über die Ampullen, die auf dem Waschbecken neben dem Wasserhahn aufgereiht waren.
    »Was genau?«
    »Du hältst dich an mich, und ich halte mich an dich.« Van der Groot ließ einen Teil des Pulvers in die erste Ampulle rieseln. »Dann kommen wir vielleicht lebend hier raus, okay?«
    Er tippte eine Portion ITH in die zweite Ampulle, in die dritte, und so fort. Die Dosis musste er schätzen, und er brauchte mindestens acht Milliliter Lösungsmittel, um genügend Wirkstoff aufzulösen. Glücklicherweise hatte der Wächter eine genügend große Spritze besorgt.
    Er steckte die Brille wieder zusammen, nahm die erste Ampulle zwischen Daumen und Zeigefinger und schüttelte sie solange, bis der pulverisierte Wirkstoff sich auflöste. Van Dam wies er an, dasselbe zu tun. Anschließend zog er das Serum auf.
    »Steril ist das nicht«, sagte van Dam, der ihn aufmerksam dabei beobachtete.
    »Bist du vom Fach?«, wunderte sich van der Groot. »Ich dachte, du bis als Fotojournalist unterwegs.«
    »Kenn mich ein bisschen aus, Mann! Hab mal auf einem Rettungswagen fotografiert, und meine Frau arbeitet auf einer Intensivstation in Amsterdam.«
    »Dann versuch mal, Hahn den linken Oberarm abzubinden.«
    Van Dam löste seinen Hosengurt und tat, was sein Landsmann verlangte.
    Van der Groot setzte die Nadel auf die Kanüle, spritzte die Luft aus der Kammer und beugte sich über den kranken Missionar. »Was ist das, Herr Doktor?«, fragte Hahn mit kraftloser Stimme. Er wirkte etwas entspannter, das Schmerzmittel begann zu wirken.
    »Ein stärkeres Mittel.« Van der Groot löste den Stauschlauch und bohrte die gestaute Vene in Hahns Ellenbeuge an. Langsam spritzte er ihm das gelöste Ichtylintrihydroäthylamid, die Bergmannvariante. »Das wird Sie langfristiger von Ihren Schmerzen befreien.«
    Das war nicht einmal gelogen.
    ***
    London, 2. Oktober 2011
    Leila stand an der Schlafzimmertür und beobachtete ihren schwergewichtigen Geliebten. »Ich würde mich wohler fühlen, wenn du in London bleiben würdest«, sagte er, ohne sie anzusehen. Er sagte es sicher zum zehnten Mal an diesem Tag.
    »Ich hab so ein Gefühl, dass die Mission nicht ganz ungefährlich werden könnte.« Tom Percival packte seinen Koffer.
    »Und ich habe das Gefühl, ich könnte dich nie wieder sehen, wenn ich dich allein fliegen lasse.« Sie ging zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter. Er warf den Stapel Wäsche in den Koffer, den er gerade aus dem Schrank gezogen hatte, und umarmte sie. Lange standen sie so, hielten sich fest und schwiegen.
    Später, als alles vorbei war, sprachen sie oft über diesen Augenblick.
    »Du bist die Inkarnation des Eigensinns«, seufzte Percival.
    Er küsste Leila, ließ sie los und fuhr fort, seinen Koffer zu packen.
    »Nichts gegen dich, die dreifaltige Sturheit.« Sie begann ihm zu helfen.
    Gestern Morgen hatte ihr Chauffeur sie samt ihrer Koffer nach Spitalfield gefahren. Gemeinsam hatten sie in Percivals Wohnung in der Artillery Row übernachtet. Den ganzen Tag lang hatte Percival versucht, seine Geliebte zu überreden, nicht mit ihm nach Tansania zu fliegen. Und den ganzen Tag

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