VT07 - Niemandes Welt
breiten Gürtel darum, an dem eine Schwertscheide hing. Auf dem Rücken festgeschnallt waren eine Armbrust und ein Köcher, in dem ein Dutzend eiserne Pfeile steckten. Jede der geschmeidigen Bewegungen verriet, dass die Gestalt kampferprobt war und sich in dieser Ausrüstung und auf der Mission, die sie nun antrat, in ihrem wahren Element befand.
Die rechte Gestalt dagegen war groß und übergewichtig und besaß ein blasses Gesicht. Ihre Kleidung hatte höfischen Chic, war jedoch denkbar ungeeignet für eine Reise auf dem Witveer. Kanzler Goodefroot hatte trotzdem darauf verzichtet, sich umzuziehen, denn Prinzessin Marie hatte ihn, nachdem sie mit de Fouché den Rettungsplan für die Dörfer Ribe und Muhnzipal durchgesprochen hatte, in seinem Gemach aufgesucht und ihn in einem knappen Gespräch von ihren wahren Absichten unterrichtet. Diese unterschieden sich gravierend von jenen, die sie de Fouché und Antoinette mitgeteilt hatte.
Nicht, dass Maries Ansinnen Goodefroot überrascht hätte. Wahrhaftig nicht.
»Ich bitte Euch, denkt noch einmal darüber nach, Eure Excellenz«, beschwor er sie. »Ihr werdet in Orleans-à-l'Hauteur gebraucht. Wer soll die Rettungsaktion koordinieren, wenn Ihr Euch in ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang stürzt?«
Marie prüfte die Pfeile in ihrem Köcher, dann verschloss sie ihn, damit die Munition auf der Reise nicht verloren gehen konnte. »Ich werde nur für einen Tag weg sein, Kanzler. Schon morgen früh wird Orleans die Andockstation erreichen. Bis dahin muss jemand sicherstellen, dass die Gegend nicht von Gruh verseucht ist.«
»Aber sie ist von Gruh verseucht, Eure Excellenz. Eure Schwester Antoinette hat uns doch einen ausführlichen Bericht geliefert.«
»Antoinette neigt dazu, unwichtige Details auszuschmücken und dafür das Wichtige wegzulassen. Ich möchte mir lieber selbst ein Bild von der Lage machen.«
»Das wird dem Herrn Sonderbeauftragten nicht gefallen«, gab Goodefroot zu bedenken.
Marie lächelte süß. »Sag er ihm, es war meine Idee. Außerdem glaube ich nicht, dass de Fouché verärgert ist. Vielleicht hofft er ja sogar insgeheim, dass ich vom Witveer falle und er damit seinem Ziel einer Militärdiktatur wieder einen Millimeter näher kommt.«
»So etwas dürft Ihr nicht einmal denken, Eure Excellenz!«
»Er braucht mir nicht vorzuschreiben, was ich zu denken oder zu sagen habe«, wies sie Goodefroot sanft zurecht und gab den beiden Gardisten einen Wink, ihr zu folgen. »Halte er die Stellung, bis die Stadt morgen früh angedockt hat. Dann wissen wir vielleicht schon mehr über die Gruh und können einen viel besseren Plan ausarbeiten, um die Dörfer zu retten.«
Der Kanzler verfolgte niedergeschlagen, wie Prinzessin Marie den Witveer bestieg und dem Lenker das Zeichen zum Start gab. Der Riesenvogel richtete sich auf und schlug träge mit den Schwingen. Aus dem Stand hob er ab und stieg steil der Nacht entgegen.
Der Kanzler beobachtete, wie der Witveer in der Ferne immer kleiner wurde und schließlich als schwarzer Schatten zwischen den Sternen verschwand.
Einerseits war er froh, dass er die gefährliche Reise nicht selbst antreten musste. Andererseits plagte ihn die schreckliche Vorahnung, dass er die Prinzessin nicht mehr lebendig wieder sehen würde.
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Die Stimme ließ ein höhnisches Lachen hören.
»Na, so etwas aber auch. Mein wertvollster Schatz wollte sich offenbar selbstständig machen… Mir scheint, da habe ich das Narkotikum wohl etwas zu gering dosiert.«
Kinga bäumte sich auf, dass der Metalltisch bedenklich zu schwanken begann. Wut und Hass, aber vor allem grenzenlose Enttäuschung spülten jeden vernünftigen Gedanken hinweg.
Als er aufspringen und den Schatten über sich angreifen wollte, war es bei dem Versuch geblieben. Kingas Arme und Beine waren mit dicken Lederriemen an den Tisch gefesselt!
Er riss und zerrte an den Schlingen und erreichte doch nicht mehr, als dass die Fesseln ihm die Haut blutig schnitten. Kinga ließ einen Schrei der Enttäuschung hören.
»Aber, aber«, säuselte die Stimme. »Hast du wirklich gedacht, mir so einfach entkommen zu können?«
»Lass mich gehen!«, brüllte Kinga. Seine Sehnerven funktionierten jetzt wieder einwandfrei. Er konnte die Gestalt, die über den Tisch gebeugt stand, deutlich erkennen – und zum ersten Mal erblickte er damit auch das Gesicht, das zu der unheimlichen Stimme gehörte. Es war schmal und eingefallen, und auf der Nasenspitze saß ein Drahtgestell mit
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