VT07 - Niemandes Welt
Seine Haut veränderte sich. Seine Augen veränderten sich. Sie sanken in die Höhlen zurück, während sich die Haut um die Lider herum gräulich verfärbte. Die Gruh wichen zurück. Irgendetwas schien sie plötzlich an Kinga zu stören. Sie wirkten, als hätten sie Gleichgewichtsprobleme. Dokk blickte sie verwundert an. »Was ist los mit euch?«
»Gruuuh!«
Sie schienen in Panik zu geraten und verließen fluchtartig das Labor. Dokk warf ihnen irritierte Blicke hinterher, dann wandte er sich wieder Kinga zu. »Eine völlig neue Reaktion auf die Bergmann-Variante«, murmelte er. »Die Gehirne der Menschen dieser Zeit scheinen den Stoff viel schneller aufzunehmen und anders umzusetzen. Faszinierend…« In einer Mischung aus Neugierde und Furcht beugte er sich über seinen Patienten.
Der mit einem gewaltigen Aufbäumen die Lederschlaufe um seine linke Hand zerriss und Dokk an der Kehle packte.
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Es musste weit nach Mitternacht sein, als sie endlich den Boden des Schachts erreichten. Er war fast eben und besaß einen Durchmesser von ungefähr zwanzig Metern.
Zwischen Felsbrocken und porös-rissigem Lavagestein lagen die zerschmetterten Leichen der Gruh, die sie von der Plattform gestürzt hatten. Ihre Leiber waren nur noch an dem aschfahlen Farbton der Hautfetzen zu erkennen, die hier und dort inmitten fauligen Fleisches zu sehen waren.
Wabo bestimmte fünf Gardisten, die Spalten in den Wänden auf mögliche Eingänge in das Labyrinth der Gruh zu überprüfen. Die Männer identifizierten vier Durchlässe, die alle groß genug waren, dass sich ein Mann von mittlerer Statur hindurchzwängen konnte.
Wabo ließ an allen vier Spalten Wachposten aufstellen. Dann untersuchte er die Leichen, so weit das in ihrem Zustand noch möglich war.
Nabuu kniete neben ihm und strich mit dem Finger angewidert über das faulige Fleisch. »Das Blut ist zäh und klebrig wie Gummi«, flüsterte er. »Das sind keine Menschen mehr, wenn ihr mich fragt.«
»Natürlich nicht«, sagte der Hauptmann hinter ihm. »Es sind Gruh. In Wimereux hat man den Leichnam eines Gruh bereits untersucht und ist zu dem Schluss gekommen, dass diese Dinger zwar leben, ihr Organismus aber unmenschlichen Gesetzen gehorcht.«
»Ich freue mich für die Wissenschaftler in Wimereux, die diese Erkenntnisse sicherlich in Dutzenden Schriftrollen protokollieren werden«, sagte Wabo Ngaaba spöttisch. »Hier unten aber beschäftigt mich vor allem eine Frage: Wie viele von diesen Monstern gibt es, und wo treiben sie sich herum?«
»Ich bin sicher, dass wir ihnen da oben einen gehörigen Schrecken eingejagt haben«, sagte Hauptmann Cris selbstsicher.
»Ach ja? Und wie kommt ihr darauf? Habt ihr euch die Leichen schon einmal genauer angesehen?«
»So weit mir das möglich ist, Herr Minister. Der Gestank ist ja geradezu pervers.«
»Eben, und zwar der Gestank aller Leichen und Leichenteile, die hier zu finden sind. Ebenso ist bei allen Leichen das Blut zähflüssig und klebrig. Gibt euch das nicht zu denken, Hauptmann?«
»Aber das ist bei den Gruh doch so üblich.«
»Ist euch noch nicht aufgefallen, dass die Leichen unserer Männer fehlen?«
»Sie meinen, dass die Gardisten geflohen sind?«
Wabo lachte. »Natürlich, Hauptmann. Nach einem Sturz aus hundert Metern Höhe sind sie aufgestanden und sind in dem Gang verschwunden.«
Der Hauptmann runzelte die Stirn. »Ich verstehe nicht, was ihr damit sagen wollt…«
»Dass die Gruh vor uns hier waren!«, half ihm Ngaaba auf die Sprünge. »Nicht die toten dort, sondern weitere, lebende Gruh. Sie haben sich die Leichen der Gardisten geholt und sind mit ihnen im Labyrinth verschwunden.«
Hauptmann Cris wurde blass. Er hielt sich die Hand vor den Mund, eilte in eine Ecke des Gewölbes und erbrach sich.
»Was sollen wir jetzt tun?«, fragte Nabuu.
»Wir gehen weiter«, entschied Wabo. »Wo die Leichen sind, werden wir auch die Gruh finden – und vielleicht sogar die Prinzessin.«
Blutspuren am Boden führten zu einem Gang, der so schmal war, dass sie ihn nur hintereinander betreten konnten. Wieder teilte Wabo Ngaaba den Trupp auf. Fünf Mann als Vorhut, Nabuu, der Hauptmann und er selbst dahinter, dann folgte der Rest. Immerhin war der Spalt hoch genug, dass sie aufrecht gehen konnten.
Die Stimmung unter den Gardisten war gedrückt. Die Meldungen des Vordermannes waren die einzigen Wortfetzen, die durch die Stille drangen. Nabuu versuchte die Angst, die sich wie mit Klauen in seine Eingeweide
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