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VT07 - Niemandes Welt

VT07 - Niemandes Welt

Titel: VT07 - Niemandes Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dario Vandis
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Gläsern darin. Ein weißer Haarkranz säumte eine polierte Glatze – weißer noch als das seltsame Kleidungsstück, das sich um den hageren Körper des Mannes schmiegte. Ein langer dünner Mantel, der jedoch so schmutzig war, dass man die einstmals weiße Farbe kaum noch erkennen konnte. Das Auffälligste an dem Mann war jedoch seine helle Hautfarbe. Sie war nicht grau wie bei der Gruh, sondern fast schneeweiß und kalkig.
    Während Kinga tobte und schrie, ging der Mann im Kittel zu einem Beistelltisch, auf dem gläserne Röhren lagen, in denen eine grünliche Flüssigkeit schwamm.
    »Jetzt, da wir uns endlich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen, kannst du mich Dokk nennen«, sagte die Gestalt. »Keine Sorge, es geht schnell vorüber.« Der Mann, der sich Dokk nannte, hielt plötzlich einen länglichen Kolben in der Hand, an dessen einem Ende ein dünner spitzer Metallstift angebracht war. »Nur ein kleiner Piekser, dann ist es schon vorbei…«
    Aber Kinga gebärdete sich wie ein wildes Tier, sodass Dokk sich schließlich enttäuscht aufrichtete und mit Ungeduld in der Stimme nach seinen Helfern rief.
    Vier Gruh tauchten in Kingas Gesichtskreis auf, schlurften zur Liege und griffen mit ihren aschgrauen, ausgedörrten Händen nach seinen Armen und Beinen. Kinga spürte, wie sich ihre Klauen mit eiserner Gewalt in seine Haut drückten. Seine Raserei steigerte sich, doch er konnte die Griffe der Gruh nicht sprengen.
    »Gruuuh«, murmelte eines der Geschöpfe, offenbar erstaunt über seine Gegenwehr, und stierte gierig auf Kingas Schädeldecke.
    »Ihr werdet ihm nichts tun«, mahnte Dokk. »Er ist wichtig für euren Herrn!«
    Kinga schloss die Augen. Er fühlte sich in einen Albtraum versetzt. Was hatte der Anführer der Gruh mit ihm vor? Was war das für eine Flüssigkeit in dem durchsichtigen Kolben? Ein weiteres Gift? Kinga durfte auf keinen Fall zulassen, dass Dokk es ihm verabreichte.
    Aber das war leichter gesagt als getan. Die Gruh pressten ihn mit einer Gewalt auf den Tisch, die jede noch so geringe Gegenwehr verhinderte.
    Kingas Halsschlagader trat hervor, als er die Griffe der Gruh zu sprengen versuchte. Er hatte das Gefühl, gleich würde ihm der Schädel platzen, doch die Gruh schienen seine Anstrengungen gar nicht zur Kenntnis zu nehmen.
    »So ist es gut«, rief Dokk. »Haltet ihn gut fest…« Er beugte sich wieder über den Tisch und näherte die Hand mit dem Kolben Kingas Halsschlagader. »Aber, aber, mein kleiner Kinga. Wer wird denn so viel Angst vor einer einfachen Spritze haben?«
    Tatsächlich – Kinga fühlte den Einstich kaum. Im Nu hatte Dokk den Kolben herabgedrückt und das Serum vollständig injiziert. Er zog die Nadel heraus und warf die Spritze achtlos auf einen Beistelltisch.
    »Das war es. Lasst ihn los.« Die Gruh brummten und lösten ihre Griffe.
    Die ganze Zeit über hatte Kinga den festen Vorsatz gehabt, selbst die geringste Möglichkeit zu nutzen, um doch noch die Lederfesseln zu sprengen – aber jetzt, da die Gruh sich von ihm abwandten, schwand dieses Bedürfnis auf einmal und machte einer grenzenlosen Lethargie Platz. Er lag einfach nur da. Es fühlte sich ähnlich an wie vorhin.
    Paralysiert. Und doch ganz anders. Etwas geschah mit ihm, das er nicht begreifen konnte. Etwas arbeitete in seinem Körper, veränderte ihn, und zwar mit rasender Geschwindigkeit. Die Lethargie schwand schlagartig. Er spürte, wie ihn Zorn überkam. Ein viel größerer, viel mächtigerer Zorn als jener, den er bisher auf die Stimme, auf Dokk und auf die Gruh verspürt hatte. Er schwoll binnen weniger Augenblicke zu einer riesigen Flutwelle an, die durch seinen Körper raste und jeden Gedanken, jede andere Regung mit urtümlicher Gewalt zerschmetterte. Kinga grunzte.
    »Seht nur«, sagte Dokk überrascht. »Ich glaube, es tut sich schon was. Die Verwandlung geht viel schneller vor sich als gedacht. Woran mag das liegen? Unterscheiden sich die Erdbewohner denn so sehr von ihren Vorfahren…?« Kinga knurrte.
    Dokk lächelte unsicher. Er versicherte sich noch einmal, dass die Lederriemen fest angelegt waren und sein Opfer sich nicht losreißen konnte.
    Kinga krächzte.
    Seine Kopfhaut schien jetzt zu brennen. Er bekam Kopfschmerzen. Schlimme Kopfschmerzen. Etwas schien von innen gegen seine Schädeldecke zu drücken. Er verspürte Durst – und unbändigen Hunger. Sein Innerstes, seine Organe schienen zu schrumpfen, als würde ihnen das Gift binnen kürzester Zeit jegliches Wasser entziehen.

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