VT09 - Die tödliche Woge
hatten.
Leclerc füllte Antoinettes Becher mit dem vergifteten Wasser auf.
Mörder!, flüsterte eine Stimme in ihm.
Er stellte die Karaffe mit dem Gefühl ab, für alle Zeiten verflucht zu sein.
Es dauerte nicht einmal eine Minute, bis Antoinette beiläufig nach dem Becher griff. Lourdes und Leclerc verfolgten wie gebannt, wie sie zunächst zögerte, noch etwas zu trinken, weil Lomboko in seinem Monolog inzwischen bei einem verwitweten Maishändler angelangt war, dem er vor zwei Jahren durch Ziehen der Fußnägel nachgewiesen hatte, dass er bei seiner Jahresabgabe zwei Säcke Mais unterschlagen hatte. Antoinette lachte, wobei ihr massiger Körper immer noch bewegungslos auf dem Stuhl ruhte.
Leclerc dachte panisch daran, dass er gar nicht wusste, wie das Gift wirkte. Würde Antoinette auf der Stelle tot umfallen?
Würde sie zuvor Krämpfe bekommen und nach ihren Dienern schreien?
Jetzt führte sie den Becher endlich zum Mund.
Lourdes hielt den Atem an. Ihr Blick war selig verklärt, als suche sie in sich nach einem angemessen würdevollen Atemzug, mit dem sie den Tod ihrer Schwester begleiten konnte.
Antoinette setzte den Becher an die Lippen.
Alles in Leclerc drängte danach, ihr das Gefäß aus der Hand zu schlagen, aber seine Muskeln gehorchten ihm nicht.
Da flog mit einem Krachen die Tür auf.
Leclerc zuckte zusammen wie unter einem Donnerschlag, als er den Mann im Türrahmen erblickte.
Hauptmann de Fouché!
Er hatte seine prächtigste Uniform angelegt, deren Brust und Schultern von militärischen Abzeichen übersät waren. In seiner Begleitung befand sich Leutnant Cris, sein ergebener Helfer, der ebenfalls seine Feiertagsuniform angelegt hatte. Umso skurriler wirkte dagegen das zottelige Geschöpf, das Cris auf dem Arm hielt und das so überhaupt nicht zu seiner Erscheinung passen wollte.
»Paulette!«, schluchzte Lourdes auf und machte Anstalten, sich von ihrem Stuhl empor zu wuchten.
»Was fällt ihm ein!«, raunzte Antoinette de Fouché an. Ihr war vor Schreck der Becher aus der Hand gefallen. Empört deutete sie auf ihr ruiniertes Kleid. »Sieht er, was er angerichtet hat? Warum klopft er nicht an, wie es sich für einen Hauptmann der Garde gehört?«
De Fouché kam näher. Cris folgte ihm. Der hässliche Schoßhund auf seinem Arm kläffte.
Lourdes ließ ein hilfloses Wimmern hören.
»Komme er mir mit diesem Ding ja nicht zu nahe!«, rief Antoinette angewidert und richtete ihren Blick auf de Fouché.
»Was hat er hier überhaupt zu suchen?«
»Das werdet ihr sogleich erfahren. Verehrter Kanzler, würdet Ihr mir bitte das braune Fläschchen übergeben, das ihr so angestrengt vor den Blicken der anderen verbergt? Es ist ein wichtiges Beweisstück.«
Leclerc hatte das Gefühl, der Boden würde sich unter seinen Füßen öffnen. »Das… braune… Fläschchen…?«
»Es steckt in eurer Rocktasche.«
»Ich… weiß nicht… was ihr meint.«
»Wie Ihr wollt, verehrter Kanzler«, sagte de Fouché und wandte sich wieder an Antoinette. »Ist dies die Karaffe, aus welcher Euch der Kanzler zuletzt bediente?«
»Ja, aber ich verstehe immer noch nicht, was…«
»Habt nur noch ein paar Sekunden Geduld, Eure Excellenz.« Er gab Cris ein Zeichen, und der Leutnant trat vor.
Lourdes gab einen erstickten Schrei von sich, als Cris Paulette vor der Karaffe auf dem Tisch absetzte und der Hund sofort seinen Kopf in das Gefäß steckte.
»Nicht!«, kreischte sie. »Nicht meine Paulette!«
Aber der Hund hatte bereits zu schlabbern begonnen.
»Hauptmann!«, schrie Antoinette erbost. »Das ist ja widerlich! Nehme er sofort dieses Ekel erregende Tier vom Tisch!«
»Einen Moment noch, Eure Excellenz«, erwiderte de Fouché und runzelte scheinbar überrascht die Stirn. »Ich glaube, Paulette geht es nicht gut. Seht doch nur, wie sie zittert.«
Tatsächlich knickte der Hund gerade mit den Hinterläufen ein. Sein Kopf zuckte unkontrolliert.
Lourdes ließ einen Seufzer hören und sank mit verdrehten Augen auf ihren Stuhl zurück.
Antoinette fiel die Kinnlade herunter, als das Schoßhündchen im selben Moment zur Seite kippte und bewegungslos liegen blieb. Ihre Augen weiteten sich, als sie endlich begriff.
Kreidebleich starrte sie auf den Becher vor sich, aus dem sie um ein Haar getrunken hätte. Jetzt verstand sie, aus welcher Gefahr der Kommandant sie im letzten Augenblick gerettet hatte.
Leclerc dagegen fror, als bestünde sein Innerstes aus Eis.
Sein Blick hing an den zuckenden Lefzen Paulettes,
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