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VT11 - Flammender Himmel

VT11 - Flammender Himmel

Titel: VT11 - Flammender Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern und Stephanie Seidel
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eine Realität, in der er nicht sein wollte. Der Banzulu-Fürst lag am Boden, unfähig, etwas zu spüren oder zu denken. Sein Geist hatte eine Mauer errichtet, höher als der Kilmaaro, und den überwältigenden, alles zerreißenden Schmerz dahinter verstaut.
    »Du hättest sie nicht retten können, geliebtes Kindeskind meiner Schwester.« Issa Maganga griff in einen Tiegel, beugte sich über Ngomane und schmierte ihm kühlende Kräuterpaste auf die Stirn. Er spürte, wie seine innere Mauer zu bröckeln begann, spürte Schmerz, heiße Tränen. Die Geisterfrau malte Zeichen auf seine Brust, während sie weiter sprach. »Es waren die Toten von Kilmalie! Weißt du noch, wie sie nachts in Krähengestalt übers Dorf flogen? Sie kamen zurück, und sie sind wie Dämonen über uns hergefallen.«
    »Ich hätte hier sein müssen!«, flüsterte Ngomane.
    »Um was zu tun?«, fragte die Alte scharf. »Auch zu sterben? Dafür haben dich die Götter nicht erschaffen.« Sie schüttelte den Kopf. »Du bist der Sohn des mächtigen UmSenzangakona! Dein Platz ist auf dem Lepaadenthron, nicht unter der Erde!«
    »Mein Thron ist wertlos, Mame«, entgegnete Ngomane. »Die Menschen, die ihn verehrten, sind alle fort.«
    Issa Maganga streichelte dem verzweifelten Mann die Wange. Es hätte zärtlicher ausgesehen, wenn sie nicht ihre Armbänder aus getrockneten, aufgereihten Vogelspinnen getragen hätte. Aber es wirkte auch so, denn die Alte war sparsam mit Nettigkeiten, und jede einzelne war ein Geschenk.
    Ngomane ergriff ihre Hand, küsste die Innenfläche. Dann fragte er: »Wie hast du überlebt, Mame?«
    Sie hob die Schultern. »Ich bin die Geisterfrau«, sagte sie nur.
    Er beließ es dabei. Es gab Dinge, die besser unerforscht blieben, besonders im Zusammenhang mit der Geisterfrau. Wer einmal ihr unheimliches Baumhaus betreten hatte, – ein düsteres, verschnürtes Konstrukt aus Holz und dicken Lederresten –, der war kuriert von dem Bedürfnis, Fragen zu stellen.
    Ngomane erhob sich, wischte seine Tränen fort, sah sich um. Dingiswayo kniete im Staub neben seiner toten Frau. Er rüttelte an Gleles Arm, befahl ihr schluchzend, aufzustehen. Tenga irrte zwischen den Leichen herum. Schweigend. Ziellos.
    »Wer ist das Mädchen?«, fragte Issa Maganga plötzlich.
    Ngomane folgte ihrem Blick. Er entdeckte das Kind zwischen zwei aufgedunsenen Kühen. Es streichelte deren Köpfe. So schien es.
    »Nandi«, sagte er. »Das ist Nandi.«
    Er erzählte Issa Maganga, wie und wo er die Kleine gefunden hatte. Doch je länger Ngomane sprach, desto mehr verfinsterte sich die Miene der Geisterfrau. Schweißperlen schimmerten auf ihrer Stirn, und über die Falten und Runzeln im dunklen Gesicht huschte ein Zittern. Ohne das fremde Kind aus den Augen zu lassen, unterbrach sie ihn schließlich mit einer Handbewegung.
    »O Ngomane!« seufzte sie düster und schwer. »Was hast du getan?«
    »Ich… was meinst du?«
    Sie sah zu ihm auf. »Erinnerst du dich an meine Warnung? Geh nicht nach Kilmalie, du bringst das Verderben zurück!?« Die Geisterfrau nickte Richtung Nandi. »Sie ist das Verderben!«, sagte sie.
    Sie hatte solchen Hunger, und in dem kalten stillen Schädel des Rindes steckte Nahrung, das wusste sie instinktiv. Wenn er doch nur nicht so hart wäre! Konnte man vielleicht durch die Löcher greifen, in denen mal Augen gewesen waren?
    Warum rief der Mann da hinten »Nandi«? Wer war das, Nandi? Der Name klang irgendwie vertraut, aber dann auch wieder nicht. Es war egal. Sie hatte solchen Hunger…
    Sie bohrte ihre kleine Hand in die Augenhöhle des toten Rindes, zog und zerrte an den Knochensplittern. Sie dufteten nach Blut.
    Manchmal sah sie auf, hinüber zu dem Mann. Erst stand er alleine da. Traurig sah er aus, so traurig. Dann waren es plötzlich drei. Sie guckten her, zeigten auf sie. Oder zeigten sie auf das Essen? Wollten die Männer das Essen stehlen?
    Ihre Finger stießen an weiche, feuchte Masse. Sie zog sie heraus, leckte sie ab. Gut war das!
    Aber wieso musste sie auf einmal fortgehen? Schob sie jemand? Zog jemand an ihr?
    Sie wollte der alten Frau nicht folgen, die wie vom Himmel gefallen zwischen den toten Kühen stand und jetzt schweigend davon ging.
    Nandi wehrte sich und schrie: Nein! Nein! Aber es klang wie »Gruuh! Gruuuh!« Und ihre Füße gingen einfach weiter.
    Da waren zwei Bäume, eng beieinander, mit nur einer Krone. In ihr steckte ein Haus. Es war böse. Es rief.
    Nur nicht gehorchen! Nicht die Treppe hochklettern! Geh da

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