VT12 - Die Rückkehr
Chance, zu entkommen und seinen Auftrag doch noch zu erfüllen.
Als er mit dem Rücken gegen etwas Rundes, Schmales stieß, hätte er beinahe aufgeschrien. Es fühlte sich feucht und kalt und glitschig an, und er war beinahe sicher, dass es sich um einen Gruh handelte. Er schlug mit der Faust danach. Ein spitzer Schmerz schoss durch seine Knöchel.
Kein Gruh, nur ein Stalaktit. Gott sei Dank, dachte er, tastete noch einmal nach den Knoten in seinem Hosenbund und versteckte sich inmitten dieses Steinwaldes. Er musste abwarten, bis seine Hände aufhörten zu zittern, erst dann konnte er die Lunten zünden. Er musste sichergehen, dass nichts mehr schief ging.
Die Steinsäulen boten fürs Erste Sicherheit.
***
Orleans-à-l’Hauteur
»Das ist nicht mein Sohn! Das kann unmöglich mein Sohn sein!« Der Kaiser war derart perplex, dass er für einen Moment sogar seine selbst eingeführte höfische Ausdrucksweise vergaß. Er stand am Rand der Wolkenstadt und starrte durch ein Fernrohr hinunter zur Versorgungsstation, wo ein Mann triumphierend die Hände gen Himmel stieß. Soeben war die Feuersäule erloschen.
»Jemand muss Akfats Kleidung angelegt haben! Nie und nimmer ist der mutige Mann da unten identisch mit diesem Versa-«
Pilatre de Rozier brach ab, als ihm bewusst wurde, was er da von sich gab. Er ließ das Fernrohr sinken und wandte sich an den Sonderbeauftragten für Militärisches, der neben ihm verharrte. Ein fähiger Mann. Er dachte ernsthaft darüber nach, ihn zum Kriegsminister auf Wimereux-à-l’Hauteur zu ernennen, jetzt da sein alter Freund und Weggefährte Wabo Ngaaba tot war.
»Wie lautet eure Meinung?«
»Nun – ich denke, er ist es, Excellenz.« Pierre de Fouché lächelte. »Ich finde diese Tapferkeit auch nicht wirklich überraschend, muss ich gestehen. Prinz Akfat ist immerhin die Frucht Eurer Lenden!«
»Schleim, Schleim, Schleim!«, zwitscherte eine Frauenstimme so kurzatmig wie vergnügt dazwischen. Prinzessin Antoinette wuchtete sich heran, einen zur Hälfte abgenagten Emuu-Schenkel umklammert. »Irgendwann wird er so viel Glibber produziert haben, dass er darauf ausrutscht und sich den Hals bricht.«
Der Kaiser und sein Sonderbeauftragter sahen sich an. Peinliche Stille hing zwischen den Männern. De Fouché trat zur Seite und machte der Prinzessin Platz. Viel Platz.
»Haben Wir etwas Falsches gesagt?« Antoinette beugte sich zur Seite, legte ihre Wange an des Kaisers Ärmel und beschenkte ihren Vater mit einem Unschuldsblick aus großen Kulleraugen. Sie klang wie ein Kind, als sie ihn anschnurrte: »Ist mon père böse mit der kleinen Netti? Hat Er sie nicht mehr lieb?«
»Vielleicht möchtest du erst einmal dein Mittagessen beenden, Antoinette«, schlug de Rozier vor, während er Klein Nettis hundertzwanzig Kilo auf Abstand schob.
»Hab ich doch!«, rief sie empört, biss in die fettige Bratenkeule und nuschelte: »Dasch ischt nur die Nachschpeische.«
Bei jedem ›sch‹ flogen feuchte Emuu-Schnitzchen auf den kaiserlichen Jackenärmel. De Rozier wischte sie mit ausdrucksloser Miene fort und sprach an Antoinette vorbei den Sonderbeauftragten an.
»Wir sollten keine Zeit verlieren, de Fouché. Bitte sorgt dafür, dass Orleans unverzüglich Fahrt aufnimmt! Man soll an der Versorgungsstation andocken und die Lifte herunterlassen. Was sich an Ärzten und Pflegepersonal auf Orleans befindet, hat sich sofort bereit zu machen. Wir überlassen es den Medizinern zu entscheiden, welche Verletzten zunächst vor Ort behandelt werden können und wer herauf gebracht werden muss.«
Der Kaiser setzte sich in Bewegung. »Bonne chance, de Fouché! Wir werden in der Zwischenzeit eine Notkonferenz einberufen. Es muss geklärt werden, wie – und vor allem wo – wir zweihundert zusätzliche Menschen unterbringen können.«
Er blieb stehen, zögerte. Ein Lächeln huschte um seine Mundwinkel. »Oh, und Wir würden dann auch gern Unseren Sohn sprechen!«
»Jawohl, Excellenz!«, sagte de Fouché. Auch er sah erfreut aus.
***
In der Tiefe
»Nabuu, sieh doch! Da vorn ist ein Lichtschein!« Und er scheint nicht von der Lava zu stammen; auch nicht von Feuer! Ist er also künstlichen Ursprungs?
Tala presste sich gegen die Wand, als sie sah, dass das Licht das Ende des Gangs signalisierte. Endlos lang war er ihr erschienen. Die Fackel, die sie trug, löschte sie und streifte an der ebenen, aber doch rauen Wand aus Kunststein die Asche von dem erkaltenden Stab. Dann steckte sie ihn in ihren Rucksack.
Weitere Kostenlose Bücher