Vulkanpark
gedrängt: »Wann finden Sie
endlich böse Mann?«
Franca
hatte mit Handpuppen die Tat spielerisch zu rekonstruieren versucht, doch viel
herausgekommen war dabei nicht. »Beim Puppenspiel hat sie von ›Hochzeit feiern‹
gesprochen. So wie Erwachsene dies tun würden.«
Bei
diesem Bekenntnis hatte Lara Franca verschämt angesehen und verlegen gekichert.
»Welch
ein Euphemismus.« Evelyn Schiller schnaubte.
»Sie
räumte ein, es sei kein schönes Fest gewesen, weil der Zauberer der Prinzessin
wehgetan habe. In diesem Zusammenhang sprach sie auch von einer Zauberschnur,
die ihr der Mann um den Hals gebunden und zugezogen hat.«
Das
Kind hatte seine Geschichte mehrfach unterschiedlichen Personen erzählt, doch
keine der verschiedenen Versionen war mit der vorherigen identisch. Immer gab
es Abweichungen von Details oder Abläufen. Auch über die Farbe des Autos machte
Lara unterschiedliche Angaben. Mal war das Auto des Mannes hell, manchmal eher
dunkel. Mal war der Mann größer, mal kleiner. Aber immer trug er einen
Schnurrbart und eine Brille. Und sie sagte jedes Mal übereinstimmend, dass sie
den Mann nie zuvor gesehen hatte.
Frau
Dr. Schiller hatte erklärt, dass es in solchen Fällen oft zu Vermischung von
Wahrheit und Fantasie komme, das Kind wolle die Dinge nicht so akzeptieren, wie
sie tatsächlich geschehen waren, und versuche, diese zu beschönigen. »Das kann
aber nicht als bewusst gesteuertes Verhalten angesehen werden. Es ist vielmehr
eine Schutzmaßnahme. Weil so das Geschehene für sie erträglich wird.«
»Ich
habe gelesen, dass es vollkommen üblich ist, dass traumatisierte Kinder sich in
eine Fantasiewelt flüchten. Und vielleicht nicht mehr konkret unterscheiden
können, was wahr und was falsch ist«, sagte Clarissa.
»Das
kann ich nur bestätigen. Kinder denken nicht geradlinig«, erklärte die Ärztin.
»Es ist oft zu beobachten, dass Kinder, die sich in einem seelischen
Schockzustand befinden, in eine emotionale Starre verfallen. Sie müssen auch
bedenken, dass dieser Zustand sich durch permanente Befragungen verlängert, und
das Mädchen sich aus lauter Angst immer weiter in sich zurückzieht.«
Franca
seufzte und dachte daran, wie oft sie mit Lara in deren Kinderzimmer zwischen
Stofftieren und Barbiepuppen gesessen und versucht hatte, ihr in mühsamen
Gesprächen Wichtiges zu entlocken. Immerhin hatte sie auf die Frage, ob Lara
die Stelle beschreiben könne, wohin sie der Mann gebracht hatte, geantwortet, dass
dort viele große Bäume standen und Wasserrauschen zu hören war. Doch wo diese
Stelle gelegen sein könnte, hatten sie bis jetzt noch nicht herausgefunden.
Evelyn
Schiller klaubte ihre Papiere zusammen.
»Mir
ist klar, dass wir uns in einer Zwickmühle befinden. Aber Sie dürfen nicht
vergessen: Diesem Kind hat jemand seine kleine Welt zerstört und dieser
Zerstörung will es sich nicht unterordnen. Es glaubt, das gehe am besten
dadurch, das Vorgefallene einfach zu vergessen. Deshalb würde ich von
ärztlicher Seite dringend empfehlen, das weitere Ausfragen einzustellen, um dem
Kind nicht weiter zu schaden.«
Franca
zog die Augenbrauen hoch. »Ist das Ihr Ernst?«
Evelyn
Schiller nickte. »Vergessen Sie bitte nicht, wie leicht Kinder durch Suggestion
zu bestimmten Aussagen gedrängt werden können.«
»Trauen
Sie mir keine kindgerechte Befragung zu?«
»Frau
Mazzari, Sie wissen selbst, wie heikel das Thema ist und wie viele Fehler
gemacht werden können. Geben Sie der Kleinen einfach ein bisschen Zeit.«
Franca
wiegte den Kopf. »Zeit. Zeit. Das ist es ja gerade, woran es uns mangelt.«
»Und
wenn wir es mal in eine ganz andere Richtung versuchen?«
Alle
Augenpaare waren fragend auf die Jungkommissarin gerichtet.
»Mit
Hypnose wurden in dieser Hinsicht einige Erfolge erzielt. Ich meine, wir
sollten alles in Betracht ziehen, was uns helfen kann zu verhindern, dass
dieser Mensch sich das nächste Kind schnappt. Und es diesmal vielleicht nicht
am Leben lässt.«
»Also,
wirklich, Clarissa. Du glaubst doch nicht im Ernst, eine Polizeibehörde wäre
der richtige Platz für derlei Hokuspokus.« Franca schüttelte missbilligend den
Kopf.
15
Manchmal war es nicht ganz
einfach, die Probleme ihrer Arbeit nicht mit nach Hause zu nehmen, sondern sie
dort zu belassen, wo sie hingehörten. Insgeheim war sie froh, wenn sie in ihrer
kleinen Wohnung ankam, wo sie Ruhe und Entspannung erwarteten, ein
Kraftschöpfen für den nächsten Tag.
Georgina
hatte ihrer Mutter einen Zettel
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