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Vulkanpark

Vulkanpark

Titel: Vulkanpark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Keiser
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die gebrochenen Augen des Tieres deutlich
im Gedächtnis, obwohl das alles schon so lange her war. Von ihm, dem Sohn,
wurde erwartet, dass er beim Ausweiden half. Als es am nächsten Sonntag
Rehbraten gab, brachte er keinen Bissen runter.
    Langsam
rollte er aus dem Dorf hinaus, bog auf einen asphaltierten Feldweg ab, der nach
einer Weile im Nichts endete. Er wendete, drehte um. Plötzlich sah er einen
Jungen auf einem Fahrrad direkt auf sich zukommen. Eine Hitzewelle durchströmte
ihn. Er hielt auf den Jungen zu, wollte sich ihm mit dem Auto in den Weg
stellen. Doch der Junge schlug einen Haken und fuhr haarscharf an ihm vorbei.
Er war so verdattert, dass er abbremste und eine Zeit lang still im Wagen
sitzen blieb.
    Schon
wieder ein Fehlschlag!
    Er
dachte daran, wie viel Zeit er lauernd vor Schulen und Kindergärten verbracht
hatte, an Flussufern, an Bushaltestellen, auf Spielplätzen. An einsamen
Stellen.
    Diesmal
musste es einfach klappen. Er wollte endlich Sieger sein.

14
     
    Die Veröffentlichung der
Phantomzeichnung hatte bisher zu keinem brauchbaren Ergebnis geführt. Lomacks
Antrag war noch nicht durch, er saß im Gefängnis und kam als Täter nicht
infrage. Zumindest das war sicher.
    Inzwischen
hatte sich auch Dr. Evelyn Schiller eingehend mit dem Fall der kleinen Lara
Weisglas beschäftigt und eine sorgfältige Anamnese erstellt. Sie war nicht nur
ausgebildete Ärztin für Allgemeinmedizin, sondern auch Psychologin. Und sie
konnte auf einige Erfahrung mit traumatisierten Kindern verweisen.
    Dr.
Evelyn Schiller war eine Frau, die mitten im Leben stand und viel gesehen
hatte. Sie war etwas mollig, verleugnete weder, dass sie gern und reichhaltig
aß, noch ihr Alter, das sich um die 60 bewegen musste. Sie war ungeschminkt und
unternahm nichts, den grauer werdenden Farbton ihres kurzen Haars zu
kaschieren. Durch ihre elegante Kleidung, die sie stets trug, wirkte sie ein
wenig matronenhaft, gleichzeitig betonte ihre sanfte Art zu sprechen das
Mütterliche an ihr. Das Auffallendste waren ihre unglaublich hellen Augen. Wenn
sie eine türkisfarbene Bluse trug, wie heute, konnte man fast der Illusion
erliegen, in ihren Augen spiegle sich die Ägäis.
    »Wir
sind schon ziemlich weit gekommen«, erläuterte sie. »Wenn man bedenkt, dass es
manchmal Wochen oder Monate dauert, bis ein Kind bereit ist, sich mit dem
Kerngeschehen auseinanderzusetzen. Man darf nicht vergessen, die Kleine hat
Todesangst durchlitten. Gleichzeitig schämt sie sich aber noch immer, über das
zu sprechen, was dieser Mann ihr angetan hat. Mir scheint, dass der Täter sie
unter Druck gesetzt hat und sie sich deshalb verpflichtet fühlt, ihn nicht zu
verraten. Wahrscheinlich hat er eine solche Macht über sie, dass sie sich trotz
allem an ihr Versprechen gebunden fühlt.«
    »Finden
sich solche Ambivalenzkonflikte nicht öfter bei Opfern, besonders bei
kindlichen Opfern?«, fragte Clarissa. Sie war beim Friseur gewesen, die
Haarfarbe war nicht mehr ganz so auffallend rot, und ihre Frisur wirkte
verwuschelt und zerzaust, so ähnlich, wie Franca aussah, wenn sie gerade aus
dem Bett gekrochen war. Clarissa hatte Franca erklärt, dass das jetzt trendy
sei. Undone-Look hieße das. Um so auszusehen, bedürfe es allerdings einiges
Geschicks.
    »In der
Tat«, bestätigte Frau Dr. Schiller und warf der Jungkommissarin einen
überraschten Blick zu.
    Franca
fächelte sich mit einem Pappordner Luft zu. Es war heiß und stickig im Raum.
Offenbar war die Klimaanlage nicht richtig eingestellt. Oder sie funktionierte
nicht.
    »Fakt
ist, dass das Kind mit einer Schnur stranguliert worden ist«, fuhr die Ärztin
fort. »Die Drosselmale an ihrem Hals sind noch immer sichtbar. Im Genital- und
Analbereich befinden sich Druckstellen, die auf entsprechende Manipulationen
hinweisen, ihr Jungfernhäutchen ist jedoch intakt. Und sie weicht immer noch
aus, wenn es darum geht, konkret zu benennen, was der Mann ihr angetan hat.«
Sie machte eine kurze Pause und blätterte in ihren Unterlagen. »Ich denke, dass
der Täter sie auch zu anderen Handlungen genötigt hat. Das schließe ich aus der
Tatsache, dass sie sich auffallend oft die Hände wäscht und die Zähne putzt.«
    Franca
nickte nachdenklich. Ihre Befragungen des Kindes hatten sich mühsam gestaltet.
Laras Mutter hatte jedes Mal abwehrend auf das Auftauchen der Polizei reagiert.
»Uns geht nicht gut. Ganze Familie nicht gut.« Das Kind käme überhaupt nicht
zur Ruhe und weine viel, hatte sie mitgeteilt und

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