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Vulkanpark

Vulkanpark

Titel: Vulkanpark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Keiser
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noch nie
polizeilich in Erscheinung getreten ist. Ein freundlicher Nachbar, den man
jeden Tag grüßt. Ein Vereinsmitglied, dem man wohlgesinnt ist. Das wissen wir
nicht. Aber das werden wir alle zusammen herausfinden.« Er blickte selbstsicher
in die Runde. »Wie Sie alle wissen, sind das Entscheidende die Details, die
Aufschluss über seine Handlungsweisen geben. Aber es reicht nicht, diese
Details zu bemerken, man muss sie lesen und deuten können. Und alles in die
Gesamtheit der Spuren einbeziehen.«
    »Ich
dachte immer, es ist wichtig, sich zu distanzieren. Für mich hört es sich aber
so an, als hätten Sie großes Verständnis für diesen Typen«, bemerkte Brock
maliziös.
    »Mein
Ansatz ist ein psychologischer.« Der Profiler lächelte nachsichtig. »Mörder
sind eine Herausforderung für unsere Gesellschaft. Sie zwingen uns, uns mit
ihnen zu beschäftigen. Damit müssen wir uns leider abfinden. Solche Menschen
gehören zu unserer Welt dazu.«
    »Klugscheißer«,
murmelte Roger Brock. Doch es war sehr leise, und er war weit genug von
Berthold Olsen entfernt, dass der die Bemerkung nicht hören konnte. So hoffte
Franca zumindest.

34
     
    Die Uhr der Liebfrauenkirche
schlug zwölf Mal, als Franca die Haustür aufschloss. Sie fühlte sich ausgelaugt
und hatte nur noch den Wunsch, so schnell wie möglich ins Bett zu kommen. Erst
als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, sah sie, dass jemand im Dunkeln auf
der Treppe saß. Bei ihrem Eintreten stand er langsam auf.
    Sie
zuckte zusammen.
    »Hallo,
Franca«, sagte Benjamin. Seine Stimme klang müde. Als ob er gerade aus einem
Nickerchen aufgewacht sei.
    »Musst
du mich so erschrecken?« Sie holte tief Luft. Ihr Herz klopfte wie ein
Presslufthammer. Sie wusste nicht recht, ob aus der gerade überstandenen Angst
oder aus Freude.
    »Was
soll ich denn machen? Ich hab solche Sehnsucht nach dir.« Er trat auf sie zu
und blieb vor ihr stehen. »Und du hast überhaupt keine Zeit mehr für mich. Ich
hab dir schon hundert Mal auf deinen AB gesprochen.«
    »Wenn
ich momentan eins nicht brauchen kann, dann ist das ein nörgeliger Liebhaber.«
Sie durfte ihm auf keinen Fall sagen, dass er sich sogar während der momentanen
langen Sitzungen immer wieder in ihre Gedanken schlich.
    »Aber
ein bisschen beschweren wird man sich doch noch dürfen. Hm?«
    »Wie
lang sitzt du denn schon da?« Natürlich hatte sie seine Nachrichten abgehört.
    »Lang.«
    »Tut
mir leid, sei mir bitte nicht böse.« Der Fall fraß sie auf und ließ einfach
keinen Platz für Privatleben. Schon gar nicht für eine noch nicht ganz
aufgekeimte Liebe. »Es ist Mitternacht. Ich bin hundemüde.«
    »Du
hörst dich schon wieder an wie ein Papagei. Könntest dir ruhig mal was
Originelleres einfallen lassen.« Das klang sehr spöttisch.
    »Ach,
wenn du wüsstest, was bei uns los ist«, sie seufzte laut.
    »Die
Polizei ist nicht die einzige Bevölkerungsgruppe, die arbeitet«, entgegnete er.
    Ein
wenig schuldbewusst dachte sie daran, dass er als Rettungssanitäter sicher
ebenfalls viele Überstunden machen musste. In ihr stritten widersprüchliche
Gefühle. Sie merkte, wie sie sich darüber freute, dass da jemand war, der auf
sie wartete, obwohl es so spät geworden war. Aber derjenige wollte auch etwas
Bestimmtes von ihr, und das war ihr im Moment weniger angenehm.
    »Kommst
du noch mit zu mir?«, er knabberte an ihrem Ohrläppchen. Blies sanft in die
Muschel. Sie zuckte zusammen. »Bitte«, flüsterte er. »Ich wünsche es mir so
sehr.«
    Eigentlich
sehnte sie sich nach einer Wiederholung ihrer ersten gemeinsamen Nacht. Und
doch hatte sie Angst davor. Vielleicht war es auch die vage Befürchtung, dass
sie mehr empfinden könnte als er. Dass sie sich in allzu tiefen Gefühlen
verlieren könnte. Und enttäuscht wurde. Gleichzeitig wünschte sie sich das
Zusammensein mit ihm. Die Zwiespältigkeit zerriss sie.
    »Komm«,
flüsterte er.
    Und
wenn schon. Wenn sie für ihn nur ein Strohfeuer war, so wollte sie wenigstens
noch einmal lichterloh brennen. Aber durfte sie das denn in ihrer jetzigen
Situation? Musste sie nicht morgen früh ausgeruht auf der Arbeit erscheinen?
    Ohne
ein weiteres Wort zog er sie hinter sich her ins Schlafzimmer. Legte sie aufs
Bett, begann sie auszuziehen. Sie schloss die Augen und überließ sich einem
Gefühl, das alles Bedrückende fortspülte, das sie vollkommen erfüllte. Nach dem
sie sich sehnte. Und trotzdem wusste sie schon jetzt, dass sie es verfluchen
würde, weil es sich mit aller

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